Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
Vom Netzwerk:
jetzt noch machen oder wie er uns da reinbringen soll.
    Frank zuckt mit den Achseln. »Ruhiger hier hinten, das ist mal sicher. Kommt keiner rein oder raus. Oder zumindest fast keiner.« Er lächelt wieder und entblößt seine schrecklichen Zähne, aber sein Blick behält diese eigenartige Ausdruckslosigkeit bei, als wäre ein Vorhang davorgezogen worden. Ich frage mich, ob das bei ihm eine Nebenwirkung des Heilmittels war oder ob er schon immer so gewesen ist.
    Er legt den Kopf zurück und sieht Alex aus zusammengekniffenen Augen an, wodurch seine Ähnlichkeit mit einer Schlange nur noch größer wird. »Und wie hast du das von Thomas gehört?«
    Alex spielt weiter den Unbeteiligten, lächelt, lässt seinen Ausweis kreisen. »Gerüchte, die hier und da im Umlauf sind«, sagt er achselzuckend. »Weißt ja, wie das ist.«
    Â»Ich weiß, wie das ist«, sagt Frank. »Aber die AIK war gar nicht glücklich darüber. Hatte uns ein paar Monate auf dem Kieker. Was hast du denn genau gehört?«
    Mir ist klar, dass das eine wichtige Frage ist, eine Art Test. Sei vorsichtig , denke ich in Alex’ Richtung, als könnte er mich irgendwie hören.
    Alex zögert nur eine Sekunde, bevor er sagt: »Es hieß, er hätte vielleicht Sympathien für die andere Seite.«
    Plötzlich ergibt alles einen Sinn – die Tatsache, dass Alex gesagt hat: »Ich habe Freunde hier«, dass er früher ganz offensichtlich Zugang zu Block sechs hatte. Einer der Wachmänner muss ein Sympathisant gewesen sein, vielleicht sogar ein aktives Mitglied der Widerstandsbewegung. Alex’ ständiger Spruch taucht wieder in meinem Kopf auf: Es gibt mehr von uns, als du denkst.
    Frank entspannt sich sichtlich. Offenbar war das die richtige Antwort. Der Wachmann scheint zu dem Ergebnis zu kommen, dass Alex vertrauenswürdig ist. Er streicht über den Lauf seines Gewehrs – das locker zwischen seinen Knien steht –, als wäre es ein Haustier. »Da ist was dran. Kam völlig überraschend für mich. Ich kannte ihn natürlich kaum – bin ihm manchmal im Pausenraum begegnet, ein- oder zweimal auf dem Scheißhaus, das war’s. War ’n ziemlicher Einzelgänger. Das passt schon zusammen. Mit den Invaliden war er dann offenbar gesprächiger.«
    Das ist das erste Mal, dass ich jemanden in offizieller Funktion einräumen höre, dass es die Leute in der Wildnis gibt, und ich atme geräuschvoll ein. Es muss schmerzhaft für Alex sein, geringschätzig von einem Freund zu sprechen, der als Sympathisant verhaftet wurde. Das Urteil wurde bestimmt umgehend gefällt und war hart, vor allem, weil er im Dienst der Regierung stand. Wahrscheinlich wurde er gehängt oder erschossen oder auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet oder auch in eine der Zellen geworfen, um dort zu verrotten – falls das Gericht gnädig war und sich gegen Tod durch Folter entschieden hat. Wenn er überhaupt einen Prozess hatte.
    Erstaunlicherweise wankt Alex’ Stimme nicht. »Woher kam der Hinweis?«
    Frank massiert weiterhin sein Gewehr und irgendwas an der Bewegung – die beinahe sanft ist, als wollte er es zum Leben erwecken – verursacht mir Übelkeit. »Gab eigentlich keinen Hinweis von außen.« Er streicht sich die Haare aus dem Gesicht und entbößt eine fleckige rote Stirn, die vor Schweiß glänzt. Hier drin ist es viel heißer als in den anderen Blocks. Die Luft muss zwischen diesen Wänden eingesperrt sein, verfaulen und schwären wie alles andere an diesem Ort. »Es hat sich rausgestellt, dass er was über die Flucht gewusst haben muss. Er war ja für die Zelleninspektion zuständig. Und der Tunnel ist wohl kaum einfach über Nacht gewachsen.«
    Â»Die Flucht?« Die Wörter fliegen aus meinem Mund, bevor ich sie daran hindern kann. Mein Herz hämmert schmerzhaft in meiner Brust. Niemand ist je aus den Grüften geflohen. Noch nie.
    Einen Moment hält Franks Hand auf dem Gewehr inne, seine Finger legen erneut einen Tanz auf dem Abzug hin. »Sicher«, sagt er und hält seinen Blick auf Alex gerichtet, als wäre ich gar nicht da. »Davon hast du doch bestimmt gehört.«
    Alex zuckt die Achseln. »Nur Gerüchte. Nichts Konkretes.«
    Frank lacht, ein schreckliches Geräusch. Ich habe mal gesehen, wie sich zwei Möwen in der Luft um ein Stück Fressen stritten und

Weitere Kostenlose Bücher