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Delirium

Delirium

Titel: Delirium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Schweißflecken.
    Â»Beeil dich«, sagt sie schließlich, und kaum hat sie es ausgesprochen, bin ich weg, sprinte die Treppe hoch und tausche meine Sandalen gegen Turnschuhe. Dann poltere ich wieder hinunter und stürme zur Tür hinaus. Meine Tante hatte noch nicht mal Zeit, das Geschirr in die Küche zu räumen. Sie ruft mir etwas zu, als ich an ihr vorbeirausche, aber ich bekomme nicht mehr mit, was sie sagt. Gerade als das Fliegengitter hinter mir zufällt, beginnt die antike Standuhr im Wohnzimmer zu schlagen. Acht Uhr.
    Ich schließe mein Fahrrad auf und fahre den Gartenweg entlang und auf die Straße hinaus. Die Pedale quietschen, ächzen und wackeln. Dieses Fahrrad hat vor mir schon meiner Cousine Marcia gehört und muss mindestens fünfzehn Jahre alt sein. Und dass es das ganze Jahr über draußen steht, verbessert seinen Zustand auch nicht gerade.
    Ich fahre Richtung Back Cove, glücklicherweise geht es bergab. Die Straßen sind zu dieser Zeit immer ziemlich leer. Die Geheilten sind zum größten Teil drinnen, sitzen beim Abendessen, räumen auf, machen sich fürs Bett und eine weitere traumlose Nacht fertig, und alle Ungeheilten sind zu Hause oder auf dem Weg dorthin, während sie nervös beobachten, wie die Minuten bis zur Ausgangssperre um neun Uhr vorbeiwirbeln.
    Meine Beine tun immer noch vom Laufen vorhin weh. Wenn ich es rechtzeitig nach Back Cove schaffe und Alex da ist, werde ich furchtbar aussehen, verschwitzt und eklig. Aber ich fahre trotzdem weiter. Jetzt, wo ich aus dem Haus bin, schiebe ich all meine Zweifel weg und konzentriere mich darauf, so schnell zu treten, wie meine verkrampften Beine es zulassen. Ich sause durch die verwaisten Straßen auf die Bucht zu, nehme jede Abkürzung, die mir einfällt, und beobachte, wie die Sonne stetig auf die strahlend goldene Linie des Horizonts zusinkt, als wäre der Himmel – der in diesem Moment in einem leuchtenden, metallischen Hellblau erstrahlt – Wasser und das Licht glitte einfach hindurch.
    Um diese Uhrzeit war ich erst ein paarmal allein draußen und es fühlt sich eigenartig an, gleichzeitig Furcht einflößend und berauschend, genau wie heute Nachmittag, als ich mich in aller Öffentlichkeit mit Alex unterhalten habe – als wäre das kreisende Auge, von dem ich weiß, dass es immer alles beobachtet, nur für den Bruchteil einer Sekunde geblendet worden, als würde die Hand, die man sein ganzes Leben lang gehalten hat, plötzlich verschwinden und man könnte sich frei bewegen.
    In den Fenstern um mich herum zucken Lichter, hauptsächlich Kerzen und Laternen; dies hier ist eine ärmliche Gegend und alles ist rationiert, vor allem Gas und Strom. Irgendwann verliere ich die Position der Sonne aus den Augen hinter den vier- und fünfstöckigen Häusern, die immer dichter beieinanderstehen, seit ich auf die Preble Street eingebogen bin: hohe, dunkle Gebäude, die sich aneinanderschmiegen, als bereiteten sie sich schon auf den Winter vor und drängten sich dicht zusammen, um sich zu wärmen. Ich habe noch gar nicht darüber nachgedacht, was ich zu Alex sagen soll, und bei der Vorstellung, allein neben ihm zu stehen, rutscht mir plötzlich das Herz in die Hose. Ich halte an und schnappe nach Luft. Mein Puls hämmert wie wild. Nachdem ich mich einen Moment ausgeruht habe, fahre ich weiter, langsamer jetzt. Es sind immer noch gut anderthalb Kilometer bis zur Bucht, aber sie ist bereits zu sehen, blitzt rechts von mir auf. Die Sonne schwebt über den dunklen Umrissen der Bäume. Mir bleiben höchstens noch zehn, fünfzehn Minuten, bevor es vollkommen dunkel wird.
    Dann trifft mich ein anderer Gedanke wie ein Faustschlag und ich muss fast schon wieder anhalten: Er wird nicht da sein. Ich komme zu spät und er ist schon wieder gegangen. Oder das Ganze entpuppt sich als großer Scherz oder Streich.
    Ich lege einen Arm auf meinen Magen, flehe die Ravioli an zu bleiben, wo sie sind, und fahre wieder schneller.
    Ich bin so damit beschäftigt, einen Fuß nach dem anderen kreisen zu lassen – links, rechts, links, rechts – und mir in Gedanken ein Tauziehen mit meinem Verdauungstrakt zu liefern, dass ich die Aufseher nicht kommen höre.
    Ich will gerade über die schon lange kaputte Ampel an der Baxter Street rasen, als ich plötzlich von einer Mauer aus schwirrendem, hüpfendem Licht geblendet werde: dem Strahl von einem

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