Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
auszubessern, da es sich nicht mehr in dem richtigen Zustande befindet!«
»Herr, Du wirst es mir doch nicht ruiniren!«
»Nein; Du kannst es mir ruhig anvertrauen.«
Ich suchte mir den geeigneten Draht hervor und zog die Saiten auf; dann baute ich mir aus mehreren Polstern einen hohen Sitz und begann zu stimmen. Als der Wirth die Quinten und Oktaven hörte, rief er mit einer Gebärde des Entzückens:
»O, Du kannst es ja noch viel besser als ich!«
»Das ist noch keine Musik; jetzt gebe ich dem Drahte nur erst den rechten Ton. Hat Dir der Engländer denn nicht gezeigt, wie dieses Instrument gespielt werden muß?«
»Sein Weib hatte Musik gemacht, war aber gestorben. Er schlug es mit den Fäusten und das gefiel ihm sehr, denn er lachte dazu.«
»So sollst Du baldigst sehen, wie es richtig gemacht wird.«
Ich hatte früher als armer Schüler oft Pianos gestimmt, um ein kleines Taschengeld zu erwerben; es fiel mir also nicht sehr schwer, das Klavier in einen spielbaren Zustand zu versetzen.
Während dieser Beschäftigung wurde die Thür geöffnet, und vor derselben erschienen alle die Frauengestalten, welche ich vorher im Hofe gesehen hatte. Ich vernahm ein Flüstern der Bewunderung, und zuweilen entschlüpfte sogar einem Munde ein lauter Ausruf des Entzückens. Wie anspruchslos waren diese Leute!
Endlich war ich fertig und schloß das Instrument, worauf die Lauschenden sofort verschwanden.
»Willst Du nicht länger spielen?« frug mich der Wirth. »Du bist ein großer Sanatdar, und die Frauen sind so erfreut über diese Musik, daß sie uns das Mahl verderben lassen werden.«
»Ich muß dem Tschalghy jetzt Ruhe gönnen; aber nach dem Mahle, wenn die Glieder Deiner Familie kommen, werde ich ihnen eine Musik zeigen, wie sie noch keine gehört haben.«
»Es sind einige Frauen in meinem Harem zu Besuch. Dürfen diese die Musik auch hören?«
»Allerdings.«
Ich war sehr begierig, zu sehen, welche Wirkung ein flotter Walzer auf diese Damen machen werde, durfte sie aber um meines guten Appetites willen jetzt während ihrer culinarischen Beschäftigung nicht zerstreuen. Diese Vorsicht trug sehr bald gute Früchte. Man hatte sich, wohl in Rücksicht auf den erwarteten Musikgenuß, jedenfalls etwas mehr als gewöhnlich gesputet, und es wurde uns ein reichhaltiges Mahl aufgetragen, welches dem Hause alle Ehre machte. Kaum aber war es vorüber, so erkundigte sich der Wirth, ob die Frauen nun erscheinen dürften. Ich gab meine Zustimmung, und der kleine Kaffeeeinschänker eilte fort, um sie zu holen.
Nun kam die Frau nebst zwei Töchtern und einem Sohne im Alter von vielleicht zwölf Jahren. Die Damen waren verschleiert und wurden mir nur mit dem Namen bezeichnet. Andere vier Frauen waren Freundinnen unserer Wirthin. Sie nahmen still und in bescheidener Stellung auf den Polstern Platz, gaben aber auch hier und da ein Wörtchen zu dem Gespräche, welches sich entwickelte. Da ich nun bemerkte, wie oft sich die verhüllten Köpfe, aus denen nur die Augen und die Nasenspitzen blickten, nach dem Instrumente richteten, so erhob ich mich, um ihre Ungeduld zu befriedigen.
Es war interessant, den Eindruck des ersten, vollgriffigen Accordes, dem ich einen kräftigen Läufer folgen ließ, zu beobachten.
»Maschallah!« rief Halef ganz erschrocken.
»Bana bak – hört, hört!« schrie der Wirth, indem er emporsprang und vor Verwunderung die Arme ausstreckte.
Die Frauen zuckten vor Überraschung zusammen, schrien vor Erstaunen laut auf und streckten unbedachter Weise die Hände aus, so daß sich die Schleier öffneten und ich für einen Augenblick sämmtliche Gesichter zu sehen bekam.
Nach einem kurzen Präludiren ließ ich meinen ›feschesten‹ Walzer los. Mein Publikum saß zunächst ganz starr; bald aber begann der Rhythmus seine unwiderstehliche Wirkung zu äußern. Es kam Bewegung in die steifen Gestalten: die Hände zuckten, die Beine empörten sich gegen ihre orientalisch eingebogene Lage, und die Körper begannen, sich nach dem Takte hin und her zu wiegen. Der Wirth aber erhob sich und trat hinter mich, um mit aufgerissenen Augen meine Finger zu beobachten.
Als ich geendet hatte, faßte er meine Hände und betrachtete sie.
»O Herr, was hast Du für Finger! Das ging ja wie in einem Karingdschalyk! So Etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!«
»Sihdi,« meinte Halef, »solche Musik gibt es nur noch in El Dschennet, wo die Geister der Seligen wohnen. Allah il Allah!«
Die Frauen wagten es
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