Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
in Frieden,
du schöner, goldner Tag.
Bist du von uns geschieden,
ich doch nicht trauern mag.
Du kehrst doch morgen wieder;
nicht ewig währt die Nacht;
dann steigst du vom Himmelhernieder
in neuer uns segnender Pracht.So werd auch ich in Frieden
von hinnen scheiden gehn;
es gibt doch schon hinieden
ein geistig Auferstehn.
Am Firmament geschrieben
steht mein und euer Glück:
Als segnender Engel, ihr Lieben,
kehr täglich zu euch ich zurück.
Dein Engel
Glaube nicht, du seist verlassen,
wenn dir kein Mensch zur Seite steht.
Lern nur den leisen Hauch erfassen,
der, wenn du klagst, dich lind umweht.
Es zieht ein sinnenfremdes Mahnen
dein geistig Wesen zu sich hin:
»Willst du, willst du denn gar nicht ahnen,
daß ich, dein Engel, bei dir bin?«O wolle nicht darüber trauern,
daß dich kein Mensch im Herzen trägt.
Dort, jenseits unsrer Kirchhofsmauern,
gibt’s einen Puls, der für dich schlägt.
Er hat für dich schon hier geschlagen,
und fühlst du ihn, so sagt er dir:
»Du wirst auf Flügeln stets getragen;
ich bin dein Engel; glaub es mir!«O laß dir nicht ins Auge steigen
des Leides stille Tränenflut.
Wiß, daß grad in den schmerzensreichen
Geschicken tiefe Weisheit ruht.Grad in des Lebens schwersten Stunden
spricht tröstend dir dein Engel zu:
»Durchs Leiden hast du mich gefunden;
ich bin getrost; nun sei’s auch du!«
Zwei Worte
Zu früh, zu spät – – zwei Worte, welche eigen
dem Menschenleben, auch dem deinen, sind.
Du siehst, daß dir die Stunden schnell verstreichen
und daß mit ihnen deine Zeit verrinnt.
Du ahnst den Irrtum nicht,an dem du leidest;
du hast ja Zeit, du hast unendlich Zeit,
und wenn du dich in ihr zu früh entscheidest,
entscheidest du für deine Ewigkeit.Es war zu früh, als du die Rechnung schlossest
und in das Defizit den Himmel warfst,
zu früh, als du begeistert überflossest
für Zwecke, denen du nicht dienen darfst.
Es war zu früh; du warst nicht reif zum Denken,
als du dein Ziel nur an das Grab gestellt,
denn du verstandest noch nicht, dich in die Gruft zu senken,
um aufzustehn schon hier in dieser Welt.Es war zu spät, als plötzlich du erkanntest,
daß du vielleicht, vielleicht nicht recht getan,
zu spät, als du dich halb, nur halb ermanntest,
denn das »Vielleicht« hielt dich auf falscher Bahn.
Es war zu spät; du hattest dich entschieden
und lebtest also nicht mehr in der Zeit.
Zwar warst und bist du immer noch hienieden,
doch war’s schon Tod und ist schon Ewigkeit.
Abendgebet
Herr, bleib bei uns! Es will die Nacht sich neigen;
die Sonne sank schon längst hinab zur Ruh.
Herr, bleib bei uns! Es will kein Stern sich zeigen,
und tiefes Dunkel deckt die Erde zu.
Warst du bei uns, als uns der Tag noch glühte
und uns sein Strahl hell in das Aug gelacht,
so sei und bleib bei uns, Herr, und behüte
durch deine Engel uns auch in der Nacht!Herr, bleib bei uns, und sende deine Boten
zu uns ins ihnen treue, stille Haus.
Herr, bleib bei uns, und treib die Glaubenstoten
aus unserm Heim, von unserm Herd hinaus.
Laß uns den Kampf mit ihrer Macht bestehen,
die aus dem Dunkeln zu uns aufwärts stieg;
laß deine Gnade helfend uns umwehen;
gib deinen Engeln, und gib uns den Sieg!Herr, bleib bei uns jetzt und zu allen Zeiten;
vor allem bleib, wenn unser Aug einst bricht.
Laß dein Erbarmen uns hinüberleiten
zur ewgen Wahrheit und zum ewgen Licht.
Wie dir schon jetzt der Sphären Lieder klingen,
die von der Last der Schwere du befreit,
so sollen dir auch unsre Lippen bringen
ein Halleluja, Herr, in Ewigkeit!
Ein Wort von oben
Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
wenn ihr ihn auch nicht seht, den Garten Eden.
Es reicht der Himmel ja von Stern zu Stern,
umfassend auch den irdischen Planeten.
Vor Gott sindalle, alle Welten gleich,
die er für seine Selgen vorbereitet,
und weil es ohne Ende ist, sein Reich,
so liegt es auch um euch rings ausgebreitet.Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
denkt ja nicht, daß ich euch entzogen werde.
Der Himmel ist die Herrlichkeit des Herrn,
und diese leuchtet euch auch auf der Erde.
Es sieht zwar euer Aug das Wunder nicht,
zu dem ich selig meine Blicke leite,
doch wenn mein Herz für euch zum Vater spricht,
so kniee betend ich an eurer Seite.Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
der Himmel reicht so weit wie Gottes Liebe,
auch bis zu euch, und wie seh’ ich’s so gern,
daß euch der Zweifel nicht aus ihm vertriebe!
O, atmet diese Gottesliebe ein,
und gebt mit
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