Delphi sehen und sterben
sie eindeutig, und seine Karriere als Schmarotzer stand in Gefahr.
Allen war es gelungen, Volcasius auszuweichen. Er hatte sich den Haushofmeister vorgeknöpft, einen dünnen, kahlköpfigen Sklaven, der ihm mit ausgesuchter Höflichkeit antwortete, obwohl seine Augen schon glasig wurden.
Phineus kam zusammen mit Sertorius in den Raum zurück, als hätten sie sich beide erleichtert. Aquillius stieß mir in die Rippen. »Sollte ich ihn noch mal wegen seines Delphi-Gesuchs angehen?«
»Lassen Sie ihn bloß nicht aus den Augen«, warnte ich ihn. »Er ist mein bester Verdächtiger.«
Aquillius wurde munter. Er hatte sich schon den einen oder anderen Becher Wein genehmigt. »Soll ich ihn dann in ein Halseisen stecken und in eine Arrestzelle sperren?«
»Das müssen Sie entscheiden. Es kommt darauf an, wie brutal Ihr Regime in dieser Provinz ist …«
Helena warf ihm einen besorgten Blick zu. »Kann ich Sie etwas fragen, Aquillius? Sie sagten, Phineus benutze keine Festangestellten. Aber Sie sagten ebenfalls, er wolle einen Vertreter nach Delphi schicken. Ist mir da etwas entgangen? Wen kann er mit dieser Aufgabe betrauen?«
Aquillius zuckte mit den Schultern. »Phineus muss sich stärker bedrängt fühlen, als er es sich anmerken lässt. Er hat Beistand vom Hauptbüro in Rom angefordert, wenn ich es recht verstanden habe.«
»Aus
Rom?
«, fragte Helena.
Ich stellte meinen Weinbecher auf einem Tisch ab. »Und wen?«
»Irgendein Partner aus seinem Reisebüro.«
Wir kannten nur einen Angestellten von Sieben Stätten in Rom – einen, der, wenn ich darüber nachdachte, ziemlich dem Kerl glich, den ich neulich mit Phineus gesehen hatte. Plötzlich war alles sonnenklar. »Ein aufdringlicher Schweinehund namens Polystratus?«
Aquillius zuckte wieder mit den Schultern. »Ich bin ihm noch nicht begegnet.«
Mit hochgezogener Augenbraue sah ich zu Helena und fragte mich, was das alles zu bedeuten hatte. Ich konnte mir nur vorstellen, dass Phineus, wie Aquillius sagte, das Bedürfnis nach mehr Unterstützung hatte, als er sich anmerken ließ. Tja, das war gut. Sollte er ruhig nervös werden.
»Also, soll ich ihn verhaften, Falco?« Der Alkohol ließ den Quästor sein Ziel unbeirrt verfolgen.
»Liegt ganz bei Ihnen. Da mehrere seiner Kunden ermordet wurden, könnten Sie beschließen, den Organisator in Haft zu nehmen, während wir ermitteln.«
»Zumindest hat Phineus seine Kunden nicht ausreichend beschützt«, fügte Helena hinzu.
Das gefiel Aquillius. Es gefiel ihm so sehr, dass er auf der Suche nach den Soldaten der bewaffneten Wachmannschaft des Statthalters aus dem Raum stürmte. Gleich darauf bemühte sich Phineus, unbesorgt zu wirken, während er von mehreren verwirrt aussehenden Legionären in roten Tuniken abgeführt wurde. Das ging so schnell, dass es den meisten aus der Gruppe gar nicht auffiel.
»Was für ein Spaß!« Aquillius klatschte in die Hände. Wahrscheinlich hatte er es zum ersten Mal in seiner Ämterlaufbahn geschafft, die Initiative zu ergreifen. Ich war mir nicht sicher, ob es das Richtige war, aber Phineus schien Erfahrung mit Verhaftungen zu haben. Das war an der resignierten Art zu erkennen, mit der er abmarschierte, ohne zu protestieren oder Widerstand zu leisten. Was auch immer sich daraus ergab, er würde es philosophisch nehmen.
»Im Zweifelsfall sollte man immer irgendeinen Mistkerl in Ketten legen«, sagte ich. »Selbst wenn er nichts verbrochen hat, könnten andere nervös werden, wenn sie seine Ketten rasseln hören.«
Auf die Entgegnung des Quästors war ich alles andere als begierig. »Und was haben
Sie
als Nächstes vor, Falco?« Es gelang ihm, das so klingen zu lassen, als wären mir die Möglichkeiten ausgegangen. Er brauchte sich gar nicht so selbstzufrieden aufzuführen. In Korinth hatte ich in der Tat alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Aber ich hatte eine letzte Idee.
»Phineus hat recht mit Delphi. Wir müssen Statianus wieder mit den anderen vereinen – und ich muss ihm endlich auf den Zahn fühlen. Wenn Sie mich also mit den Transportmitteln versorgen, um die ich schon zu Anfang gebeten habe, Aquillius, werde
ich
den Knaben suchen!«
»Delphi sehen und sterben!«, scherzte Aquillius. Anscheinend irgendein alter Reisewitz. Dann umwölkte sich sein freundliches Gesicht schuldbewusst. »Nun ja, nicht buchstäblich, hoffe ich.«
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TEIL VIER
DELPHI UND LEBADAIA
»Die Stadt Delphoi zeigt in ihrer ganzen Ausdehnung eine steilansteigende Lage und ebenso wie die
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