Delta Operator (German Edition)
konnte, dass der Mann, wie er nun beim Näherkommen erkannte, nichts von ihm wollte. Und sollte er doch irgende twas im Schilde führen, dann wäre es für den Mann besser, er wäre schwer bewaffnet, den Gibson hatte schon mehrere Menschen getötet – und das ohne Waffen und nur mit seinen bloßen Händen.
Der Mann, erkannte Gibson nun, hatte seine Hände in den Taschen einer schwarzen Jacke stecken und trug eine Bas eballmütze, sodass er das Gesicht nicht erkennen konnte. Gibson verlangsamte die Fahrt des Bootes, klappte den Außenbordmotor hoch und schlitterte langsam gegen die kiesige Böschung des Ufers. Ohne den anderen Mann aus den Augen zu lassen, der unbeweglich dastand und ihn beobachtete, sprang Gibson aus dem Boot, landete im knietiefen Wasser und watete ans Ufer. Mit einem einzigen kraftvollen Ruck zog er das Boot so weit aus dem Wasser, dass es nicht mehr von alleine abtreiben konnte. Den Eimer mit den beiden Forellen vergaß er vorerst und näherte sich stattdessen dem Mann.
„Morgen, Mister!“, begrüßte er den anderen Mann vorsic htig, der etwa zehn Meter entfernt war.
„Kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“
Der andere Mann nahm seine Hände aus den Jackentaschen und griff nach seiner Baseballmütze. Er nahm sie ab, fuhr sich durch sein dunkles, langes Haar und lächelte.
„Ich glaube, das kannst du in jedem Fall, Colonel“, antwo rtete Steven Crowe.
„Mein Gott!“, keuchte Colonel a.D. Joseph T. Gibson von der 1st Special Forces Operational Detachment Delta.
„Das kann nicht sein“, flüsterte er und trat näher an die Gestalt heran, die aus dem Nebel aufgetaucht war und die eigentlich nicht hier sein dürfte.
Dieser Mann war tot. Gibson hatte damals seine Schreie über Funk selber gehört. D amals in der Einsatzzentrale, als Gibson sich völlig hilflos und überflüssig gefühlt hatte, mit keiner Möglichkeit, seinem Freund und all den anderen Deltas zu helfen. Er würde nie die Gefühle der unbändigen Wut und der Enttäuschung vergessen, die er damals empfunden hatte.
Doch das Gefühl, das in ihm hochstieg, als er weiter auf diesen Geist zuging und ihn schließlich umarmte, war ein vö llig anderes, aber in seiner Stärke nur unwesentlich schwächer.
„Stevie Crowe!“, lachte er nun auf und klopfte ihm her zhaft auf Schultern und Rücken, so als wollte er überprüfen, ob er wirklich lebendig war. Er spürte Tränen der Freude, die ihm über die stoppeligen Wangen liefen.
„Ich fass es nicht! Ich dachte wirklich, dich hätt´s erwischt, mein Freund.“
Crowe lachte ebenfalls, als er sich mühsam aus der herzlichen Umarmung seines Freundes befreite. Es tat verdammt gut, diesen alten Delta Operator wieder zu sehen.
„Ja, ich bin immer noch da, Joe. Aber wenn du nicht au fhörst, mich dermaßen zu herzen, dann bringst du das zu Ende, was die Chinesen angefangen haben.“
Beide Männer lachten, klopften sich gegenseitig auf die Schulter und schlenderten schließlich hinüber zum Wohnm obil.
„Unglaublich, der alte Stevie Crowe“, lachte Joe Gibson und hieb seinem Freund ein weiteres Mal seine rechte Pranke auf die linke Schulter. Mit der linken Hand wischte er sich die Feuchtigkeit aus seinen Augen.
„Komm mit, du hast mir einiges zu erzählen, Mann.“
Crowe nippte an dem heißen Kaffee, den er mit beiden Händen hielt und beobachtete seinen alten Kameraden und ehemaligen Vorgesetzten, der ihm gegenüber auf einem klapprigen Campingstuhl Platz genommen hatte. Joe Gibson hatte sich kaum merklich verändert, dachte Crowe, seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Das wiederum war nun schon eine Ewigkeit her, schien es ihm und außerdem hatte der Colonel damals in seinem Nachtkampfanzug und dem tief geschwärztem Gesicht völlig anders ausgesehen.
Nun, da er ihn nach Jahren wieder sah, bemerkte Crowe die grauen Haare, die von der feuchten Morgenluft leicht zusa mmenklebend unter der blauen Yankees-Mütze hervor lugten, viel länger, als er sie jemals zu seiner aktiven Zeit getragen hatte. Und die leicht gekrümmte Marlboro, an der er genüsslich saugte und den bläulichen Dunst nach einem tiefen Lungenzug langsam ausblies, die musste auch zu Colonel Joes neuesten Lastern gehören.
Ansonsten sah der ehemalige Delta Force Offizier so aus, als ob er nach einem Haarschnitt und einer Rasur ohne Pro bleme in seine alte Uniform passen würde. Crowe sah die kräftigen Unterarmmuskeln und das breite Kreuz, zweifellos gestählt durch ein regelmäßiges Training, das
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