Delta Operator (German Edition)
ob er alleine war, dann fasste er unauffällig unter die Bank und löste das schwarze Paket mit einem kurzen, energischen Rucken. Das Päckchen war unversehrt, als es in der Innentasche des Trainingsanzugoberteils verschwand. Bremner atmete tief die kühle Herbstluft ein und blieb für weitere drei Minuten sitzen, in denen er seine Oberschenkelmuskulatur lockerte. Dann kam er wieder auf die Beine und setzte seinen Lauf fort. Nun bel aden mit einem halben Kilogramm hochbrisantem synthetischem Sprengstoff, der jedoch ohne seine Zünder nicht gefährlicher als Plastilin war. Die sichtbare Erleichterung, die sich in seinen Gesichtszügen zeigte, mochten entgegenkommende Läufer vielleicht als Glücksgefühl durch die körperliche Belastung des Laufens werten. So, wie das bei vielen anderen Sportlern der Fall war, wenn sie sich bis an ihre Leistungsgrenze verausgabten. Diese Menschen mit ihren beschränkten Horizonten in ihren beschränkten kleinen, ganz privaten Welten, um die sich alles in ihrer Vorstellungskraft drehte, mit ihren ganz persönlichen Problemen und Sorgen, diese Menschen hatten wirklich keine Ahnung, was hier gerade geschehen war.
Davis-Monthan Air Force Base, Tucson, Arizona
07. Oktober 2016
„Was zum Henker treiben diese verdammten Marines in meinem Flugzeug?“, knurrte General Wayne Thomson, dessen kantiges, blasses Gesicht vor Schweiß glänzte. Auf dem Tisch direkt vor ihm lagen die Fotos, die der Hubschrauber vor etwa einer Stunde geschossen hatte, als er den Standplatz der 747 überflogen hatte, die seit drei Tagen vom US Marine Corps besetzt wurde – so zumindest empfand der stolze Air Force General, der es nicht liebte, auf seiner eigenen Basis nicht zu wissen, was vor sich ging.
Thomson sah von den Fotos auf, in das Gesicht Captain Wi llards, des Hubschrauberpiloten.
„Was glauben Sie, Willard“ , fragte der General, „verarschen die uns?“
„Keine Ahnung, Sir“ , antwortete der junge Offizier wahrheitsgemäß und etwas steif. „Sah völlig harmlos aus, Sir. Nichts Auffälliges zu bemerken.“
„Und genau das will mir ganz und gar nicht gefallen, Wi llard“, brummte der Kommandant der Basis. „Da geht irgendwas vor sich, Captain. Glauben Sie mir.“
„Wie kommen Sie zu dieser Annahme, Sir, wenn ich fr agen darf?“ Willard verstand die Aufregung seines CO nicht ganz. Er hatte der ganzen Sache nicht sonderlich viel Bedeutung beigemessen.
„Ist nur so ein Gefühl, Willard. Der General der Marines, Ga rrett, hat sich sehr verschlossen gezeigt. Hat mir irgendwas verheimlicht.“
„Aber was für einen Grund hätte er denn dafür, Sir?“
„Keine Ahnung, Willard.“
Thomson trommelte mit den Fingern auf der Schreibtisc hplatte. Dann betrachtete er wieder die Fotos, auf denen er nur einen Soldaten auf der Gangway ganz oben direkt vor der Luke sehen konnte.
„Wo sind die anderen? Die ganze Zeit in der Maschine?“ fragte Thomson.
„Sieht ganz so aus, Sir. Meine Männer, die ich wie befohlen zur Beobachtung abgestellt habe, konnten nur ein oder zwei Mal jemanden beim Verlassen des Jets beobachten.“ Willard erwähnte nicht die kurzen Ausflüge der Marines ins Magazin des Stützpunktes und in den Supermarkt, wo sie sich offenbar versorgt hatten.
„Willard, wenn Sie einen Antiterroreinsatz an einem oder in einem Flugzeug durchführen, womit rechnen Sie dann, oder besser gesagt: Welchen Terrorfall nehmen Sie am ehesten an?“ Thomson hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und sah den jüngeren Offizier fragend an.
„Nun, Sir, ich würde annehmen, die wahrscheinlichste Terrorgefahr zusammenhängend mit einem Flugzeug dürfte wohl die sein, dass das Flugzeug entführt wurde.“
„… und sich Terroristen im Inneren der Maschine befi nden, oder?“ ergänzte Thomson.
„Richtig, Sir.“
„Und wenn die Terroristen in diesem parkenden oder gelandeten Flugzeug sind und die Passagiere sich in ihrer Gewalt befinden, dann dürfte ein Antiterroreinsatz wohl so aussehen:“ Thomson stand auf und begann damit, im Raum hinter seinem Schreibtisch auf und abzumarschieren.
„Also: Die Terroristen sind in dem Flugzeug und kommen von alleine nicht raus. Also müssen die Antiterroreinheiten ins Flugzeug eindringen, um sie zu überwältigen.“ Thomson blieb stehen und sah Willard an.
„Und was machen unsere Marines?“ fragte er.
„Die sitzen den ganzen Tag über in der Maschine und la ssen sich nicht blicken“ antwortete Willard.
„ Ganz genau, Captain.
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