Dem Feuer zu nah
ihm durch seinen Wald spaziert war und das Flüstern der Verwunschenen gehört hatte.
Diese Fähigkeit verband sie und ihn auf eine Weise, die die körperliche, ja selbst die emotionale Anziehung übertraf. Sie verlieh ihrer Verbindung etwas Seelisches. Etwas, gegen das Jared sich nicht wehren konnte, selbst wenn er gewollt hätte.
Was immer es war, das sie miteinander verband, es ließ ihm keine andere Wahl, als bei ihr zu bleiben und ihr immer näherzukommen. Also schlief er wieder ein, den Arm um ihre Taille gelegt, und fiel mühelos in einen Traum.
Seine Hüfte schmerzte höllisch, seit der Einschlag einer Kanonenkugel ihn durch die Luft gewirbelt hatte und er hart auf dem Boden aufgeschlagen war. Sein Kopf dröhnte, die Augen brannten. Es war schwer, einen Fuß vor den anderen zu setzen und nicht einfach umzufallen.
Er erinnerte sich nicht daran, wie er in den Wald gekommen war. War er zu den Bäumen gekrochen oder gerannt? Er wusste nur, dass er schrecklich allein war und furchtbare Angst hatte. Sein Leutnant war tot. So viele waren tot. Der Junge aus Connecticut, mit dem er sich am Abend zuvor die magere Ration geteilt, mit dem er sich flüsternd unterhalten hatte, wenn die Lagerfeuer aus waren, lag in einem flachen Graben, in Stücke gerissen. Dort war der Kampf so grausam und gnadenlos gewesen, dass selbst die Hölle dagegen ein Paradies sein musste.
Jetzt war er allein. Er wusste, dass er eine Zuflucht finden musste. Einen Ort, wo er sich ausruhen konnte. Nur für eine Weile. Seine Heimat war nicht weit entfernt. Sie lag in nördlicher Richtung, hinter der Grenze von Pennsylvania. Die Wälder von Maryland waren gar nicht so anders als die in der Nähe seiner Farm.
Vielleicht könnte er sich hier verstecken, bis er sich auf den Heimweg machen konnte. Bis dieser Krieg, der ein Abenteuer hatte werden sollen und zu einem tausendfachen Albtraum geworden war, endlich ein Ende fand.
Im Monat zuvor war er siebzehn geworden, und noch nie hatte er die Lippen einer Frau geschmeckt.
Vollkommen erschöpft blieb er stehen und lehnte sich keuchend gegen einen Baum. Wie konnten diese Wälder so schön sein, so voller Farbe und herbstlicher Gerüche? Warum hörte dieser entsetzliche Lärm nicht auf? Warum verstummten die Kanonen nicht endlich? Und die Schreie der Verwundeten.
Wann würden sie ihn nach Hause gehen lassen?
Seufzend stieß der Junge sich vom Stamm ab. Er umrundete einen großen Felsbrocken und entdeckte einen Pfad. Doch als er erleichtert weiterging, sah er die graue Uniform der Südstaatler.
Er zögerte nur einen Moment, aber in ihm ballte sich alles zusammen. Dies war der Feind. Dies war der Tod. Dies war das Hindernis auf dem Weg in die Heimat. Er riss das Gewehr hoch und legte an.
Der andere Junge tat genau dasselbe.
Sie waren beide keine guten Schützen, doch er hörte die Kugel an seinem Ohr vorbeipfeifen, und ihm blieb fast das Herz stehen. Und dann rannte er los, genau wie sein Feind. Ihr verängstigtes Kriegsgeschrei verschmolz. Bajonette klirrten.
Die Augen des anderen waren blau wie der Himmel. Nur das sah er, als er die Klinge in seinen Körper eindringen fühlte. Die Augen des anderen waren jung und voller Angst.
Sie kämpften mit dem Mut der Verzweiflung, aber er würde sich kaum daran erinnern können. Nur an den Anblick seiner tiefen Wunden, an das Blut, das aus ihnen strömte. Und daran, wie er aufgewacht war, allein in diesem wunderschönen Herbstwald.
Und wie er weitergetaumelt war. Weinend.
In den wenigen Stunden, die ihm noch blieben, erinnerte er sich an das Farmhaus hinter der Lichtung. An die Farbe der Mauersteine und Dachziegel, an den Geruch der Tiere und Pflanzen.
Und er sehnte sich nach seinem Zuhause.
Plötzlich war er nicht mehr allein. Das Gesicht war älter, vom Wetter gegerbt, mit gerunzelter Stirn unter einem Hut mit weicher Krempe. Der Junge dachte an seinen Vater, wollte etwas sagen, doch dann hob der Mann ihn auf, und der Schmerz war schlimmer als der Gedanke an den Tod.
Er hörte Frauenstimmen, aufgeregte Rufe, Flüstern. Er spürte sanfte Hände und die Wärme eines Feuers. Dann kühle Laken und wie der Schmerz einem Gefühl der Betäubung wich.
Jedes Wort, das er sprach, schien ihm die Kehle zu versengen. Aber er hatte so viel zu sagen. Und jemand hörte ihm zu. Jemand, der nach Flieder duftete und seine Hand hielt.
Er musste ihr sagen, dass er stolz war, Soldat zu sein, seinem Land zu dienen und zu kämpfen. Er versuchte sogar stolz darauf zu sein,
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