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Dem Himmel entgegen

Dem Himmel entgegen

Titel: Dem Himmel entgegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Monroe
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nicht mal einen Spatzen zähmen? Hier. Wie ist das?” fragte er und hielt ein perfekt zugeschnittenes Paar Fußfesseln in die Höhe.
    “Das sieht gut aus.”
    “Jetzt probieren Sie es einmal.”
    Er betrachtete genau, wie Lijah das Leder bearbeitete. Wie bei den meisten Tätigkeiten in der Vogelpflege war auch hier höchste Konzentration und Aufmerksamkeit vonnöten. Einmal hatte Harris einen Falken entdeckt, der sich mit einem Bein so hoch in einem Baum verfangen hatte, dass er ihm nicht helfen konnte. Und das alles nur wegen schlechter Fußriemen. Aber der alte Mann arbeitet trotz seiner großen, knorrigen Hände so geschickt wie eine Näherin, die feine französische Knoten herstellt, dachte Harris und betrachtete ihn voller Bewunderung.
    “Sie haben geschickte Hände.”
    “Ja, das habe ich. Sie haben mich all die Jahre nie im Stich gelassen. Ich kann fast alles aus ein bisschen Holz und einigen Nägeln zimmern. Auch mit Eisen habe ich schon gearbeitet. Und ich kann mit einem Netz umgehen, falls Sie auf dem Gebiet jemals Hilfe brauchen …” Er hob seine Hände und betrachtete sie mit Respekt. “Ich wollte mit diesen Händen früher immer Piano spielen, aber wir sind nie dazu gekommen. Ich denke, wir hätten bestimmt gute Musik gemacht.”
    Harris atmete tief durch und rieb nervös seine Hände, denn er wusste bereits, dass die nächsten Minuten darüber entscheiden würden, ob dieser außerordentlich begabte Mann im Center bleiben würde.
    “Ziemlich kalt heute, finden Sie nicht?”
    “Kalt? Nein, so kalt ist es gar nicht. Heute Mittag sollen es sogar über 4 Grad werden.”
    “Wirklich? Das ist gut. Dann können wir die Vögel nach draußen bringen.” Er räusperte sich und nahm einen neuen Anlauf. “Aber die Nächte sind kalt, stimmt’s?”
    Lijah gluckste leise, während er das Material behandelte. “Oh, ja. Die Nächte sind sehr kalt.”
    Harris wartete ein oder zwei Sekunden, bevor er fortfuhr: “Ich kann mir vorstellen, dass es sehr kalt ist, vor allem in der kleinen Holzhütte.”
    Lijah hielt inne und ließ die Hände sinken. Er saß für einen Augenblick unbewegt, seufzte dann schwer, drehte sich um und sah Harris offen in die Augen.
    “Ich wollte Sie nicht hintergehen”, sagte er düster. “Ich habe nichts schmutzig gemacht und darauf geachtet, nichts durcheinander zu bringen.”
    “Ich weiß”, antwortete Harris. Er schwieg kurz. “Lijah, haben Sie denn keinen Platz, an dem sie vorübergehend bleiben können?”
    “Doch, doch. Ich bin bei Freunden zu Besuch – nicht weit von hier, die Straße runter. Aber jeden Tag hin- und herzufahren, um Santee zu sehen, war zu umständlich. Sehen Sie, ich muss bei ihr sein. Ich muss bei meinem Vogel sitzen, damit wir das gemeinsam durchstehen können. Genau wie Sie auch für Ihre Tochter da waren, als sie im Krankenhaus war.”
    Harris spürte eine starke Sympathie für die Situation des Mannes in sich aufwallen. Lijah liebte diesen Adler wie ein Vater sein Kind. “Ich verstehe”, sagte er. “Aber verdammt, Lijah, es gibt keine Heizung in der Holzhütte.”
    “Es geht mir gut.” Ein schüchternes Lächeln huschte über sein Gesicht. “Es ist auf jeden Fall besser, als im Auto zu übernachten.”
    “Lijah, es ist nicht gut, dass Sie in der Kälte schlafen. Wir müssen uns etwas anderes überlegen.”
    “Sie müssen sich keine Sorgen um mich machen. Ich werde nicht mehr in der Hütte gehen und mir etwas Neues suchen. Das soll aber nicht Ihr Problem sein.”
    “Aber wo wollen Sie hin?”
    Er zuckte die Schultern. “Das wird sich finden. Wie ich schon erzählte, ich habe Freunde. Und es ist ja nur vorübergehend.” Seine Miene drückte plötzlich Sorge aus. “Ich hoffe, das alles ändert nichts daran, dass ich hierher kommen und arbeiten darf? Wenigstens, bis Santee wieder gesund ist? Ich liebe es, in der Nähe dieser Tiere zu sein und etwas zu tun. Und ich denke, ich mache meine Arbeit gut, oder?”
    “Das ist keine Frage, und das wissen Sie auch selbst. Sie arbeiten fast zu gut. Inzwischen sind Sie nahezu jeden Tag hier, und das ist schon mehr als helfen. Ich möchte Ihre Großzügigkeit wirklich nicht ausnutzen.”
    “Sie können mich nicht ausnutzen, denn ich gebe freiwillig, was ich kann.” Lijah lächelte gelassen.
    “Also, ich möchte Sie sicherlich nicht daran hindern, auch weiterhin zu kommen. Da gibt es keinen Zweifel. Aber die Bedingungen, unter denen Sie bei uns tätig sind, haben sich grundlegend geändert. Sie

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