Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Gestalt,
halblange, mittelbraune Haare, mit einem rosa Haargummi zum Pferdeschwanz zusammengebunden,
Bekleidet ist das Kind mit einer dunkelblauen Jeans mit Schlag und grünem Gürtel, einem rosa-weißen Langarmshirt, gelbem Blouson mit grau-weißem Futter und hellblauen Pantoletten.
Das Mädchen führt einen rosafarbenen Ranzen mit schwarzen Polstern und einen dazu passenden Sportbeutel mit sich.
Unter der Beschreibung steht in Stichpunkten, was die Polizei bisher weiß, dass Ayla seit etwa 7:45 Uhr vermisst wird, dass Zeugen beobachtet haben, wie sie von einem Mann am Nordplatz in den Kofferraum eines Autos gezerrt wurde, dass einem Beobachter die Sonnenblenden mit Winnie Pooh aufgefallen seien, dass das Auto stadtauswärts gefahren sei.
Es wird in alle Richtungen ermittelt. Aylas Vater ist Kurde und lebt von ihrer Mutter getrennt. Er hält sich derzeit nicht in Zwickau auf. Hat er etwas mit dem Verschwinden des Kindes zu tun? Oder handelt es sich um eine versuchte Erpressung? Ist das Kind womöglich gar nicht verschwunden, sondern hält sich bei Freunden auf?
Spezialkräfte des Landeskriminalamtes Brandenburg, die so genannte »Verhandlungsgruppe«, kommen hinzu. Das sind Beamte, die in der Betreuung von Angehörigen besonders geschult sind. Die Wohnung von Aylas Mutter wird »besetzt«. Sie stimmt zu, dass das Telefon abgehört werden darf.
Gegen 15:00 Uhr fallen dem Mann, der früh gegen 8:00 Uhr die Beobachtungen im gegenüberliegenden Hof gemacht hat, die Aktivitäten der Polizei auf. Er meldet sich bei den Beamten. Um 15:35 Uhr wird seine Aussage aufgenommen. Er ist der erste Zeuge, der konkrete Angaben zu dem Auto machen kann. Und er ist sich sicher. Jetzt wissen die Ermittler, dass es sich um einen dunkelgrünen Fiat Tempra gehandelt hat, dessen Kennzeichen mit »Z-K…« begann. Ein Auto aus dem Landkreis Zwickau.
Die Anfrage der Ermittler an das Kraftfahrtbundesamt wird um 15:50 Uhr beantwortet. Es gibt nur einen dunkelgrünen Fiat Tempra dessen Kennzeichen mit »Z-K« beginnt. Sein Halter ist der 37-jährige Mario L. aus Reinsdorf.
Die Beamten lesen den Namen und ahnen Schlimmes. Der Fahrer des Wagens, der Tatverdächtige, der Mann, der das Kind offenbar in seinen Kofferraum gezerrt und mit dem Mädchen weggefahren ist, ist wegen Mordes und sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft.
Einige Kollegen der Kriminalpolizei, unter ihnen auch der Leiter der Polizeidirektion Südwestsachsen, Dieter Kroll, der die Fahndung leitet, kennen L. von früher, von ihrer Arbeit bei der Kriminalpolizei der Bezirksbehörde Karl-Marx-Stadt. Man erinnert sich nur zu gut an seinen Namen und die grausige Tat, die Mario L. 1985 begangen hat.
Um 19:35 Uhr, zwölfeinhalb Stunden nach Aylas Verschwinden, wird der mutmaßliche Entführer vorläufig festgenommen. Die Kripo findet Mario L. zu Hause bei seiner Mutter. Sein Auto wird beschlagnahmt, seine Kleidungsstücke werden sichergestellt. Auf dem Foto, das nach der Festnahme von ihm gemacht wird, schaut er emotionslos, mit starrem Blick direkt in die Kamera.
Ayla jedoch bleibt verschwunden.
L.s Auto wird in die Polizeidirektion gebracht. In der Garage beginnen Kriminaltechniker vom Landeskriminalamt, den Fiat Tempra zu untersuchen. Der Kofferraum ist vollgepackt mit »Gerümpel«: ein Ersatzrad, Werkzeug, Kleidungsstücke von L. Unvorstellbar, dass hier ein Kind reinpasst! L. hat die Sachen erst nach der Tat zugeladen – aber das weiß man zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Die sichergestellten Beweismittel werden im Landeskriminalamt Sachsen untersucht – allein im Auto hat man über 150 Spuren, Fasern, Haare und DNA gefunden. Es ist jedoch nicht sofort möglich, festzustellen, ob auch Spuren von der vermissten Ayla dabei sind. Ein Abgleich dauert Stunden bis Tage.
Polizeibeamte fahnden nach dem Kind. Im Einsatz sind über 500 Beamte aus Sachsen, Thüringen und Brandenburg, die Reiter- und Diensthundestaffel, mehrere Hubschrauber, Polizeitaucher, das Technische Hilfswerk und Feuerwehrleute. Die Ermittler konzentrieren sich besonders auf Waldstücke, Betriebsgebäude und Industriebrachen. Sie befragen Mario L.s Bekannte und versuchen, seine Wege und Aufenthaltsorte am 17. Mai 2005 zu rekonstruieren. Insbesondere der sexuelle Missbrauch der beiden Kinder seines Bruders, für den L. zwei Jahre gesessen hat, lässt die Polizisten Schlimmes befürchten. Ayla ist verschwunden, der Verdächtige schweigt eisern. Lebt das Kind noch? Wo ist es?
Ein Facharzt für
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