Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
Doch das wird später verworfen.
Die Sitzung muss um 12:45 Uhr unterbrochen werden, da Dr. P. am Nachmittag des 12. Dezembers einen weiteren Gerichtstermin in Chemnitz hat.
Und so einigt man sich, die Befragung der Gutachterin zum nächstmöglichen Termin fortzusetzen. Da dies erst Anfang Januar wieder möglich sein wird, muss das Gericht im Dezember noch einen zusätzlichen »Schiebetermin« anberaumen. Das ist nötig, weil laut Strafprozessordnung ein Strafverfahren nicht länger als drei Wochen unterbrochen werden darf. Das Gericht muss sein Urteil immer auf den »Inbegriff der Verhandlung« stützen, das bedeutet, dass die gewonnenen Eindrücke und die Erinnerung an die Vorgänge in der Hauptverhandlung frisch und unmittelbar sein müssen.
7. Prozesstag: 21. Dezember 2005
Medieninformation des Landgerichtes Zwickau
vom 21. Dezember 2005:
Der Vorsitzende Richter, Vizepräsident […], verlas ein Urteil des Amtsgerichts Zwickau aus dem Jahr 1996. Damals war der Angeklagte wegen Unterschlagung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wor den, weil er einen von ihm angemieteten PKW nach Ablauf der Mietzeit nicht zurückgebracht, sondern in einem Waldstück abgestellt hatte. Außerdem wurden Lichtbildmappen und Maßstabsskizzen vom Fundort der Leiche in Augenschein genommen. […]
Weil wegen anderer Verpflichtungen des Sachverständigen Dr. […] die Befragung der Frau Dr. […] am 12.12.2005 nicht beendet und auch erst am 06.01.2006 fortgesetzt werden kann, bedurfte es in der Zeitspanne dazwischen eines Schiebetermins. Anderenfalls hätte der gesamte Prozess von neuem beginnen müssen. […]
Sollte am Freitag, dem 06.01.2006 die Beweisaufnahme geschlossen werden können, könnte am 11.01.2006 plädiert werden. Frühester Termin für ein Urteil ist also Donnerstag, der 12.01.2006.
8. Prozesstag: 6. Januar 2006
Es ist frostig an diesem Freitag, dem Dreikönigstag, in Zwickau. Das Gericht wird heute bis in die Abendstunden verhandeln.
Die Zuschauer im Gerichtssaal haben Transparente mitgebracht, sie fordern: »Sperrt L. für immer weg!« Justizbeamte sammeln die Spruchbänder vor der Verhandlung ein.
Zuerst wird erneut die Gutachterin der Verteidigung gehört. Nachdem ihre Befragung abgeschlossen ist, gibt das Gericht dem Antrag der Nebenklage auf Ablehnung der Gutachterin wegen Befangenheit statt. Die Ärztin war während des gesamten bisherigen Prozesses als Beraterin der Verteidigung anwesend. Das Gericht befindet, dass sie damit nicht »neutral urteilen« könne. Ihr Gutachten wird verworfen.
Mario L.s Verteidiger kündigt überraschend an, in der kommenden Woche nicht in Zwickau sein zu können. Damit das Verfahren wie geplant zu Ende geführt werden kann, muss das Gericht deshalb heute sehr lange tagen. Dem Angeklagten wird für die kommende Woche, in der das Urteil zu erwarten ist, ein anderer Verteidiger zur Seite gestellt, Rechtsanwalt Michael K. aus Zwickau.
Holger Illing, der Oberstaatsanwalt, beginnt sein Plädoyer mit dem Satz: »Die Tat ist so furchtbar und grauenvoll, dass man gar nicht daran glauben kann.« Auch wenn man zu der Ansicht kommen könne, dass die bestialische Tat nicht von einem »normalen Menschen« begangen worden sein kann, so bedeute dies nicht, dass der Angeklagte nicht für seine Tat büßen müsse. Er erläutert noch einmal das planmäßige Vorgehen des Täters. L. habe am Morgen des 17. Mais 2005 gezielt im Hof vor der Haustür geparkt und auf die sechsjährige Ayla gewartet. Als das Kind aus der Tür trat, verfrachtete er es in den Kofferraum seines Autos und fuhr mit ihr in das Waldstück bei Dänkritz. Auch das weitere Vorgehen spricht für planmäßiges Handeln, L. holte das Kind zu sich nach vorn auf den Beifahrersitz, streichelte es, zog es aus. Ihr Schreien hielt ihn nicht davon ab, sie zu vergewaltigen. Auch die Verletzungen im Vaginalbereich, die Mario L. dem kleinen Mädchen mit seinem Multifunktionswerkzeug zufügte, sind ihr wahrscheinlich noch vor dem Tod beigebracht worden; die Gutachten der Rechtsmediziner, die Ayla obduzierten, halten dies für wahrscheinlich.
Holger Illing führt aus, dass an diesem Ablauf kein Punkt zu erkennen sei, an dem L. nicht die Kontrolle über sein Tun hatte. Auch sein Verhalten nach erfolgter Tat spricht eindeutig dafür: das Duschen, das Verstreuen der Kleidung des Kindes an den verschiedensten Stellen rund um Zwickau.
Auch das Gutachten des Dr. Günther P. kommt zu dem Schluss, dass Mario L. voll schuldfähig
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