Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)
alle Richtungen ermittelt.
Zum ersten Mal seit Verschwinden und Tod ihres Kindes äußern sich Michelles Eltern. Sie wohnen an einem Ort außerhalb Leipzigs, um den medialen Nachstellungen zu entgehen.
Sie lassen ihre Anwältin sprechen, eine Frau, die auch schon die Eltern des vor einem Jahr ermordeten Mitja vertreten hat; danken der Öffentlichkeit für die Anteilnahme und beschreiben ihre schreckliche Lage mit den Worten, sie fühlten sich wie in einem »nicht enden wollenden Alptraum«. Die Situation sei außerordentlich belastend.
Michelles Eltern werden psychologisch betreut und erhalten Unterstützung vom Weißen Ring . Die beiden Brüder Michelles, fünf und elf Jahre alt, werden von den Medien ferngehalten, um sie nicht noch stärker zu belasten.
Die Rechtsanwältin appelliert an die Öffentlichkeit, den Wunsch der Familie nach einem »stillen Abschied« von Michelle zu respektieren und die Familie mit Nachfragen zu verschonen. Die Beerdigung soll im engsten Familien- und Freundeskreis und unter Ausschluss der Medien stattfinden.
Im Falle eines Prozesses werden Michelles Eltern als Nebenkläger auftreten, so die Anwältin. Von den rechtsextremistischen Aktivitäten, die Trauermärsche zu Demonstrationen für die Todesstrafe umfunktionierten, distanzierten sich die Eltern.
Freitag, 28. August 2008
Nicht weit von Michelles Wohnung, etwa 500 Meter entfernt, in dem Geviert, das von Holsteinstraße, Reinhold-Krüger-Straße und Carpzovstraße begrenzt wird, befindet sich ein Kinderspielplatz.
Dieser Spielplatz rückt nun ins Zentrum der Ermittlungen. Mehrere Zeuginnen, jüngere Frauen, haben ausgesagt, das Mädchen hier am Tag ihres Verschwindens zwischen 15:45 und 16:15 Uhr noch gesehen zu haben. Ihre Aussagen klingen plausibel, die Frauen sind glaubwürdig. Die Spur »Kinderspielplatz« wird zu einer Hauptermittlungsrichtung der Polizei. Auch die eingesetzten Mantrailer-Hunde führen die Beamten zu diesem Spielplatz. Die Polizei sucht nun nach weiteren Beobachtern, insbesondere nach Leuten, die Auskunft geben können, ob Michelle in Begleitung gewesen sei. Hat sie hier ihren späteren Mörder getroffen? Aber was könnte das Kind dazu gebracht haben, den Weg nach Hause nicht wie gewohnt fortzusetzen, sondern die Martinstraße, die zur Holsteinstraße wird, einfach weiter geradeaus zu marschieren, um zu jenem Spielplatz zu gelangen? Das Areal wird untersucht. Die Spur verläuft im Sande. Es melden sich keine weiteren Zeugen. Haben sich die Frauen im Tag geirrt? Sicher war Michelle ab und zu auf diesem Spielplatz, aber war sie es auch am Tag ihres Verschwindens?
Sonnabend, 29. August 2008
Die Durchsuchung der Umgebung geht weiter. Nahe dem Fundort, nur einige 100 Meter entfernt, zwischen Oststraße und Am Güterring, befindet sich ein Friedhof – vom Stötteritzer Wäldchen nur durch eine Kleingartensiedlung getrennt.
Auf dem verwahrlosten und zugemüllten Gelände der früheren Friedhofsgärtnerei finden die Ermittler ein Kinderfahrrad, einen Stuhl und einen Fahrradanhänger – hat der Täter womöglich die Leiche damit transportiert? Wurde das Kinderfahrrad als Lockmittel benutzt? Schon zu Beginn hatte ein Anwohner ausgesagt, er habe Michelle am Nachmittag des 18. Augusts, eine halbe Stunde nach ihrem Verschwinden, auf einem roten Fahrrad gesehen. Das Mädchen sei die Martinstraße entlanggefahren und habe ihn gegrüßt. Michelle besaß kein Kinderfahrrad und so war die Polizei den Hinweisen zunächst nicht detailliert nachgegangen. Jetzt jedoch – nach dem Fund eines ebensolchen Rades, wird die Aussage plötzlich wieder bedeutsam. Ist die Friedhofsgärtnerei der Tatort?
Die alte Friedhofsgärtnerei gehört einem Pächter – der jetzt selbst ins Visier der Ermittler gerät. Der Mann lebt von Hartz-IV, ist Vater von fünf Kindern. Das gefundene Fahrrad gehört seiner Tochter. Die Tochter kannte Michelle, sie gingen gemeinsam in die Grundschule an der Martinstraße, Michelle sei aber nie mit dem Rad gefahren. Rad und Anhänger werden sichergestellt und auf DNA-Spuren untersucht.
Zivilbeamte führen in dem Gebiet Befragungen durch, suchen nach Anhaltspunkten, Besonderheiten, Auffälligkeiten. Parallel dazu gehen die Ermittler Aussagen von Anwohnern nach, nach denen vor zwei Wochen ein Mann Kinder auf einem Spielplatz in Reudnitz-Thonberg angesprochen hat. Es ist offen, ob dies etwas mit Michelles Verschwinden zu tun haben könnte.
In den nächsten Tagen steht die Kleingartenanlage in der Nähe des
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