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Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition)

Titel: Dem Leben entrissen: Aktuelle authentische Kriminalfälle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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Fundorts der Kinderleiche im Mittelpunkt. Beamte befragen die Hobbygärtner der rund 400 Parzellen. Auch die Altkleidercontainer im Leipziger Osten werden akribisch durchsucht. In den Sammelbehältern könnten die verschwundene Sporttasche und die Jacke liegen, möglicherweise hat der Täter sie hier entsorgt. Auch hier finden die Ermittler nichts.
Montag, 1. September 2008
    Bis zu diesem Tag sind bei den Ermittlern etwa 1000 Hinweise eingegangen. Noch immer fehlt jede Spur. Die Ermittlungen sind weit schwieriger als die Fahndung nach dem Mörder des kleinen Mitja im Februar 2007. Damals gab es ein Überwachungsfoto aus der Straßenbahn, eine Verkäuferin in einer Bäckerei hatte den Jungen mit seinem späteren Mörder gesehen; die Leiche befand sich in einer Gartenanlage, die dem Täter zugeordnet werden konnte. Dieses Mal jedoch hat der Mörder anscheinend kein öffentliches Verkehrsmittel benutzt, die Leiche wurde in einem öffentlichen Park gefunden und es gibt bisher keinerlei Zeugen, die Michelle am Tag ihres Verschwindens später noch gesehen haben.
    Am frühen Morgen des 1. Septembers nimmt sich ein Mann in einem Abrisshaus das Leben. Er ist mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraft. Mit einem Strick um den Hals stürzt er sich aus dem dritten Stock des Gebäudes. Im Zuge der Ermittlungen wurde auch dieser Mann überprüft. Die Polizei dementiert einen Zusammenhang, der Tod dieses Mannes habe nichts mit dem Verbrechen an Michelle zu tun. Der Mann habe ein Alibi gehabt, zudem habe er sich schon mehrfach umbringen wollen.
    Seit Tagen wird in Leipzig über härtere Strafen für Sexualtäter diskutiert. Rechtsradikale Gruppen schlagen Kapital aus der aufgeheizten Stimmung, nur die Todesstrafe sei ein probates Abschreckungsmittel. Taxifahrer fahren mit Trauerflor an ihren Antennen und eine Boulevardzeitung fragt in dicken schwarzen Buchstaben: »Warum kriegen sie Michelles Mörder nicht?«
    Am Abend des 1. Septembers – es ist wieder Montag – versammeln sich knapp 300 Teilnehmer bei einer rechten Kundgebung. Etwa zeitgleich protestieren rund 100 linksgerichtete Demonstranten bei einer Veranstaltung, die von einer Lokalpolitikerin der Linkspartei angemeldet wurde, gegen den Aufmarsch.
    Auch die Bürgerinitiative Buntes Reudnitz hält auf dem Augustusplatz eine Kundgebung ab, hier spricht auch der Oberbürgermeister Burkhard Jung. Die Sorge wird laut, dass Rechtsextreme Michelles Tod nach wie vor für ihre Zwecke missbrauchen.
    Die Kundgebungen beschäftigen zahlreiche Polizisten. Bei der Demonstration der Rechten muss einigen Personen die Teilnahme verwehrt werden, weil sie Schlagringe oder Reizgas bei sich haben.
    Die Bürgerinitiative Buntes Reudnitz veröffentlicht einen offenen Brief an alle Reudnitzerinnen und Reudnitzer.
    An alle: Rechtsextreme instrumentalisieren den Tod von Michelle. Wie alle Leipziger Bürgerinnen und Bürger sind wir tief betroffen und entsetzt über den schrecklichen Mord an der 8-jährigen Michelle in unserer Stadt. Unser Mitgefühl gilt den Eltern und Angehörigen des Opfers, deren Leid niemand ermessen kann. Mit großer Sorge erfüllt uns, dass Rechtsextreme das Verbrechen an dem Mädchen ausnutzen, um ihre menschenverachtende und demokratiefeindliche Ideologie zu verbreiten. Der Schock, die Wut und die Ratlosigkeit in der Bevölkerung werden von Rechtsextremen in ungeheurer Respektlosigkeit gegenüber dem ermordeten Kind für ihre politischen Zwecke missbraucht. In den vergangenen Tagen fanden in Reudnitz mehrere Demonstrationen statt, die Rechtsextreme offen vereinnahmt haben, um auf Transparenten unverhohlen einen »Nationalen Sozialismus« zu fordern. Noch bevor die schreckliche Vermutung zur Gewissheit wurde, dass Michelle einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist, forderten sie die »Todesstrafe für Kinderschänder«. Diese Forderung darf nicht verwechselt werden mit dem verständlichen Ruf nach einer harten Bestrafung der Täter. Sieht man solch eine populistische Phrase in Verbindung mit Plakaten wie »Nationaler Sozialismus jetzt!«, so wird deutlich, worum es den Neonazis wirklich geht: Nicht in erster Linie um den Schutz unserer Kinder, sondern um den Aufbau eines totalitären Staates. Wir alle verurteilen dieses furchtbare Verbrechen. Dennoch sollten wir in dieser aufwühlenden Situation besonnen bleiben und uns nicht von Rechtsextremen vereinnahmen lassen. Demokratie und freiheitlicher Rechtsstaat sind und bleiben die Grundlage für den Schutz unserer

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