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Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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Tieren sollten welche Rechte zugesprochen werden?
    Adolph Freiherr Knigge erkannte im ausgehenden 18. Jahrhundert, dass die Art und Weise, wie Menschen mit Tieren umgehen, von Bedeutung für ihren Umgang mit anderen Menschen ist; schon aus diesem Grund wollte er das Verhalten gegenüber Tieren in das Barmherzigkeitsgebot des christlichen Glaubens einbezogen sehen. Aus solchen Impulsen und aufgrund der Tierliebe einer wachsenden Zahl von Menschen kam als Reaktion auf die fortschreitende Macht des Tieres Mensch, alle anderen Tiere beliebig beherrschen zu können, eine Tier-Ethik zustande, die im Laufe der Moderne in Tierschutzgesetzen festgeschrieben wurde und noch weiter zu entwickeln bleibt (Ursula Wolf, Ethik der Mensch-Tier-Beziehung , 2012).
    Die strikte Trennung zwischen Mensch und Tier, die einer Tier-Ethik lange Zeit im Wege stand, brach in sich zusammen, als deutlich wurde, dass Menschen einen Großteil ihrer genetischen Ausstattung mit Tieren teilen. Wie Menschen sind Tiere fähig zu Gefühlen, und dass sie die Gefühle von Menschen genau wahrnehmen können, ist an ihren Reaktionen darauf ablesbar: Ihr Ausgeliefertsein an Gefühle jeder Art ist ein Grund für den Tierschutz. Zudem sind Tiere wie Delphine (Forschungen von Rachel Smolker), manche Vögel (Josef H. Reichholf, Rabenschwarze Intelligenz , 2009) und vor allem Menschenaffen (Forschungen von Jane Goodall) zu einem klugen Verhalten und rudimentären Selbstbewusstsein, zur vorsätzlichen Pflege von Beziehungen und zur Trauer über den Tod von Mit-Tieren in der Lage.
    Warum sollten nur im Falle von Menschen besondere Fähigkeiten eine Voraussetzung für die Anerkennung von Würde und das Zugeständnis von Rechten sein? In Spanien entbrannte 2006 eine Debatte über Grundrechte für Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans, um deren Anlagen zu einem eigenen Selbst Rechnung zu tragen: Ihnen ein Recht auf Leben zuzugestehen, würde dazu führen, ihr Leben und ihre Lebensräume besser schützen zu müssen. Ein Recht auf Freiheit würde verhindern, sie weiterhin im Zoo halten und im Zirkus vorführen zu können. Ein Recht auf körperliche Unversehrtheit hätte zur Folge, sie nicht mehr zu Forschungszwecken misshandeln und töten zu dürfen. Empört bestanden die Gegner darauf, Tieren keine Rechte zu gewähren, die noch nicht einmal für alle lebenden Menschen im Allgemeinen und für ungeborene Menschen im Besonderen verwirklicht worden seien.
    Grundlegend für das Zustandekommen einer gesellschaftlichen Ethik und einer gesetzlichen Garantie von Rechten ist auch hier die Ethik des Individuums , ausgehend vom Einzelnen, der sich fragt: Was halte ich für schön und bejahenswert? Daraus gehen Werte hervor, die über Diskussionen mit Anderen, die ihre Werte vertreten, und über allgemeine Wahlen in eine demokratische Gesetzgebung münden. Bei der Umsetzung von Gesetzen kommt es dann erneut auf die Einsicht des Einzelnen an: Eine Goldene Regel der individuellen Ethik kann sein, keinem Tier etwas zuleide zu tun, das dem eigenen Ich nicht angetan werden dürfte. Ein Gefühl dafür regt sich in der Fähigkeit zum Mitleid: Selbst Nietzsche, der diese Fähigkeit für ein Zeichen von Schwäche hielt, fiel in seiner schwächsten Stunde dem Pferd um den Hals, das vom Kutscher geschlagen wurde. Was gut gemeint ist, ist allerdings nicht immer gut durchzuhalten: Nicht bei jedem Schritt kann ein Mensch aufjede Ameise achten. Nicht bei jeder Maus in der Wohnung ist die Bereitschaft groß, sie mitsamt Nachwuchs endlos durchzufüttern. Nur der Einzelne selbst kann festlegen, wo seine Ethik beginnt, wo sie endet.
    Unabhängig vom Prozess der Gesetzgebung verändert die bewusste Lebensführung, die Lebenskunst, anhand der vom Einzelnen selbst gewählten Werte die Gesellschaft: Wenn immer mehr Menschen immer weniger Fleisch essen, und wenn, dann aus artgerechter Tierhaltung, hat dies Auswirkungen auf die »Fleischproduktion«. Die individuelle Wertschätzung der Qualität des Fleisches geht gut zusammen mit dem mutmaßlichen Glück der Tiere, so zu leben, wie es ihrer Art entspricht.
    Ein ethischer Zwiespalt tut sich jedoch auf, wenn den Tieren, die als Personen gelten, sehr viel Interesse zuteilwird, Desinteresse hingegen anonymen Tieren, deren Fleisch gegessen wird (Jonathan Safran Foer, Tiere essen , 2010). Immerhin wird zu den Tieren, deren Fleisch zum eigenen Fleisch wird, posthum eine intime Beziehung eingegangen. Sich schon aus diesem Grund für sie zu interessieren, würde das

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