Dem Leben Sinn geben
Einhaltung können die Freunde davor bewahren, Geldfragen auf die leichte Schulter zu nehmen. Ansonsten entsteht daraus mit großer Wahrscheinlichkeit einUnruheherd: Der Gebende kommt zur Überzeugung, dass der Andere, der solche Dinge so nachlässig handhabt, kein wahrer Freund sein kann. Der Empfänger findet, in der wahren Freundschaft sollten solche Dinge keine Rolle spielen. Die Freundschaft, die lange währen soll, bleibt von Geldfragen besser frei. Das gilt auch für Bürgschaften, für diese einseitig verpflichtenden Verträge mit Dritten, die unproblematisch erscheinen, aber selten Freude bereiten, wenn sie in Anspruch genommen werden. Kaum einer kann, wenn es ums Geld geht, so gelassen bleiben wie Antonio in Shakespeares Der Kaufmann von Venedig (Akt 1, Szene 1), der seinem Freund Bassanio versichert, »meine äußersten Mittel liegen ganz unverschlossen für deine Bedürfnisse da«. Um mit demselben Gleichmut die unvermeidlich folgende Tragödie in Kauf zu nehmen.
7. Zum Problem kann in der Freundschaft, wie in der Liebesbeziehung, zudem die Sexfrage werden, allerdings kaum je irgendwelcher Sex zwischen den Freunden selbst, es sei denn in gemischtgeschlechtlichen Freundschaften. Problematisch werden vielmehr mögliche und wirkliche Akte mit Dritten, zu denen der Freund, die Freundin bereits in Beziehung steht oder an denen er/sie interessiert ist. Unruhe stiftet manchmal schon die unterschiedlich ausgeprägte Attraktivität der Freunde: Dass einer sexy wirkt, der Andere weniger, kann ein Anlass für Neid und Eifersucht sein, denn sexuelle Anziehungskraft ist eine Eigenschaft, die einem Menschen Zugang zu interessanten und intensiven Erfahrungen verschafft. Einbußen in diesem Bereich können seinen Kern antasten und den Boden für Endlosketten von Rivalität, Neid, Eifersucht, Verletzung und Enttäuschung bereiten, auch zwischen besten Freunden, ein beliebtes Romanthema (etwa im Roman des ungarischen Autors Sándor Márai, Die Glut , 1942, deutsche Ausgabe 1998).
Die Freunde tun gut daran, ihre Interessensphären getrennt zu halten, um sich nicht in die Quere zu kommen, ganz nach dem Grundsatz: Nicht um dieselben Ressourcen konkurrieren! Mit ihrer Ethik der Freundschaft können sie Tabus in Kraft setzen und die Freundin oder Frau des Freundes, den Freund oder Mann der Freundin für unantastbar erklären. Sollten sie aber demselben Mann, derselben Frau zuneigen, liegt es an ihnen, sich frühzeitig darüber einig zu werden, wer weitere Anstrengungen unternehmen darf. Algernon und Jack in Oscar Wildes Stück Ernst sein ist alles hätten das rechtzeitig beherzigen sollen, wenngleich die Komödie dann deutlich an Reiz verloren hätte. Aber nur im Theater bleibt es bei einer Komödie, im wirklichen Leben kann unversehens eine Tragödie daraus werden.
8. Zum Problem für die Freundschaft wird die Machtfrage , Macht als Möglichkeit der Einflussnahme auf etwas oder jemanden verstanden. Bereits durch ihr bloßes Dasein nehmen die Freunde Einfluss aufeinander, insofern kann die Freundschaft nicht gänzlich frei von Macht sein. Kommt es jedoch zu Kämpfen um den größeren Einfluss, stört und zerstört dies die Wechselseitigkeit des Verhältnisses auf gleicher Augenhöhe. Schon der Versuch zur nachdrücklichen Einflussnahme, und sei er noch so gut gemeint, kann das Verhältnis belasten, wenn beispielsweise der Freund zu einer Entscheidung gedrängt wird: »Entweder du brichst den Kontakt zu diesem Menschen ab, oder …«. Mit einem Ultimatum den Anderen dazu zu nötigen, klein beizugeben, ist sinnlos, denn Freundschaft kann kein Verhältnis von Siegern und Verlierern sein. Freundschaft ist keine Herrschaft. Die Selbstbestimmung des Anderen zu respektieren und nicht über ihn bestimmen zu wollen, ist das Grundelement einer Ethik der Freundschaft.
Nur der Verzicht auf jede forcierte Form von Machtausübung ermöglicht, in der Freundschaft die Utopie eines machtfreien Raums zu verwirklichen, die in keiner anderen Beziehung eine Chance auf Realisierung zu haben scheint. Besser wäre daher, auf eine Schwierigkeit aus eigener Sicht hinzuweisen und dem Freund zu sagen: »Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich dies tun, aus jenen Gründen. Du kannst das anders sehen, aber ich will, dass du meine Meinung kennst und alle Gründe im Blick hast. Letztlich ist es deine Entscheidung und ich akzeptiere sie in jedem Fall.«
9. Ein schier unlösbares Problem ist die Loyalitätsfrage , die freundschaftliche Art, Treue
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