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Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
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ist Teil einer bewussten Lebensführung, einer Lebenskunst des Einzelnen.
    Viele Einzelne können damit nicht nur auf das unmittelbare soziale Umfeld, sondern auch auf ganze Kulturen, die sich feindselig gegenüberstehen, einwirken. In der Epoche der globalen Begegnung unterschiedlicher und gegensätzlicherLebens- und Sichtweisen lohnt es sich, erneut darüber nachzudenken, was es eigentlich heißt, seine Feinde zu lieben. Und warum das Bedürfnis von Menschen so groß ist, in anderen Menschen Inkarnationen des Bösen zu sehen.
Von der Notwendigkeit der Feindschaft: Bedürfen Menschen des Bösen?
    Auffällig ist, dass selbst dort, wo feindselige Gegensätze überwunden werden können, neue aufbrechen, nicht selten am selben Ort und bei denselben Menschen. Kann es sein, dass »das Leben«, als wäre es ein bewusst handelndes Subjekt, sie herbeinötigt, mit welchen Mitteln auch immer? Ist es denkbar, dass das Setting der Feindschaft unentbehrlich ist, unabhängig von den handelnden Personen?
    Einige Indizien sprechen für die Notwendigkeit von Feindschaft: Die Zuverlässigkeit, mit der sie stets von Neuem entsteht, die Hingabe, mit der sie treu gepflegt wird, die Hartnäckigkeit, mit der an ihr festgehalten wird, die Wut, mit der sie verbissen vertieft wird. So manche Beziehung zwischen Menschen findet erst in der Feindschaft die Beständigkeit, die zuvor vergeblich gesucht wurde. Manchmal erstreckt sie sich auf das gesamte Leben und auch noch weit darüber hinaus: Eine »Sternenfeindschaft«, losgelöst von menschenüblichen Zeiträumen, fern voneinander und doch immer in fatalem Bezug zueinander, der an die Unabänderlichkeit der Bahnen von Sternen im unendlichen Universum denken lässt, pflegten beispielsweise Elisabeth Förster-Nietzsche und die von ihrem Bruder vergeblich verehrte Lou Andreas-Salomé (Kerstin Decker, Lou Andreas-Salomé. Der bittersüße Funke Ich , 2010).
    Wie schwierig es ist, auf eine Feindschaft zu verzichten, wie verlässlich bald nach ihrem Verschwinden eine neue die Bühne betritt, ergibt sich nicht nur aus persönlichen Erfahrungen, sondern auch aus der politischen Geschichte: Als in den Jahren nach 1989, nach dem Ende des so genannten Kalten Krieges, dieser langjährigen Ost-West-Konfrontation zwischen Sozialismus und Kapitalismus, einige schon das »Ende der Geschichte« ausriefen, erzwangen Andere zügig einen Neuanfang mit der Behauptung einer Feindschaft zwischen islamischer und moderner Welt: Ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Feindschaft .
    Sollte jemals jemand auf den Gedanken kommen, diese Geschichte zu schreiben, hätte er gute Aussichten darauf, der Nachwelt ein umfangreiches Werk zu hinterlassen. Die menschliche Geschichte ist von Feindschaft durchzogen, oft in Tateinheit mit Gewaltausübung: Schon Felszeichnungen stellen Kämpfer dar, in Höhlen sind eingeschlagene Schädel zu finden, 9000 Jahre alt, und von organisierter Gruppengewalt, also von Krieg, kündet die Ausgrabung eines Schlachtfelds aus der Bronzezeit um 1200 v. Chr. im nordostdeutschen Tollense-Tal. Auch der Begründer des Christentums besetzt in dieser Geschichte einen prominenten Platz: »Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich« ( Lukas-Evangelium , 11, 23). Selbst die moderne Aufklärung, die den universellen Frieden beschwor, kam nicht umhin, für Freiheit, Vernunft und Menschenrechte gegen die Feinde der Aufklärung zu Felde zu ziehen; auch im 21. Jahrhundert hält dieses Modell noch weiter vor (Medardus Brehl und Kristin Platt, Feindschaft , 2003).
    Ein tieferer Sinn als der bloße Nutzen, der in ihr gesehen werden kann, muss mit Feindschaft verbunden sein, sonst wäre kaum zu erklären, wie sie ohne jedes Zutun der Beteiligten auch ganz von selbst entstehen kann. Wäre sie sinnlos, hätte sie sich in der langen Geschichte der Entwicklung des menschlichen Lebens kaum behaupten können. Tatsächlich ist ihr sehr viel Sinn abzugewinnen, manchmal zu viel. In einem Maße wie sonst nur die Liebe vermag der feindselige Hass Menschen Sinn im Leben zu geben, einige beziehen sogar den Sinn des Lebens für sich daraus: Sie leben, um Anderen das Leben schwer zu machen (Christian Geulen und Andere, Vom Sinn der Feindschaft , 2002).
    Sinn vermittelt zunächst der starke Zusammenhang, den die Feindschaft zwischen den Verfeindeten herstellt, zwischen denen auf konstruktive Weise keine Beziehung zustande kommt und auf destruktive Weise keine Zukunft hat, während sich die Gegenwart mit Feindschaft vollkommen

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