Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dem Leben Sinn geben

Dem Leben Sinn geben

Titel: Dem Leben Sinn geben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Schmid
Vom Netzwerk:
hereinspielen, aber letztlich geht es um das künftig wünschenswerte Verhältnis zueinander und darum, wer welche Schritte auf dem Weg dorthin macht. Anders als bei einem Gerichtsverfahren steht keine Feststellung in letzter Instanz in Frage, wer »im Recht ist« und wer nicht, vielmehr entscheiden die Beteiligten allein, ob und wie sie sich einigen wollen und mit welcher Vereinbarung sie gut leben können. In vielen Fällen bedarf es dazu freilich vorweg oder begleitend,eventuell von einem Mediator unterstützt, einer Selbstmediation , in deren Verlauf das jeweilige Selbst die Auseinandersetzung mit sich befrieden kann, die der Auseinandersetzung mit dem Anderen womöglich zugrunde liegt.
    Und was ist, wenn sich das Bedürfnis nach Rache dennoch hartnäckig hält? Dann stehen weitere, gewagtere Möglichkeiten aus dem Spektrum des Umgangs mit Konflikten offen: Außer der klugen Vermeidung, fairen Bewältigung und gutgemeinten Lösung können auch Strategien der Konfliktvergrößerung zum Einsatz kommen, mit einer boshaften Bewahrung und Festschreibung der Positionen für längere Zeit, vielleicht für immer, um sich berechtigt fühlen zu können, anhaltend Rache üben zu dürfen. Bei dieser Option sollte trotz allem jede Erniedrigung vermieden werden, nicht so sehr aus altruistischen , Anderen zugewandten, sondern aus egoistischen Gründen, denn die Erniedrigung Anderer verrät vor allem Eines: Die Niedrigkeit dessen, der sie herbeiführt. Die Missachtung jeglicher Ethik im Umgang mit Anderen hat nur derjenige nötig, der über keinerlei Ethik im Umgang mit sich selbst verfügt. Wo hingegen das eigene Selbst wertgeschätzt wird, resultiert daraus zumindest eine rudimentäre Wertschätzung des Anderen, der seinerseits ein Selbst ist.
    Sogar dann, wenn ich den Anderen nie mehr mögen und erst recht nicht lieben kann, muss ich ihn nicht dauerhaft mit Inbrunst hassen, denn das veranlasst ihn nur dazu, mich wiederum dauerhaft mit inbrünstigem Hass zu verfolgen. Wird er zu sehr verletzt, entehrt, entwürdigt, wird er alles daransetzen, auf gleiche Weise zu antworten, ganz so, wie ich selbst es in seiner Situation vermutlich tun würde. Das könnte zu einem Problem für mich werden, das ich mir selbst geschaffen habe. Allein schon aus diesem Grund ist es ratsam, beizeiten vomHassen abzulassen. Hassen macht hässlich. Streit und Rache sollen das Leben nicht dominieren, letztlich nicht aus moralischen , sondern aus ästhetischen Gründen: Niemand empfindet es als schön und bejahenswert, sich selbst das Leben zu vergällen.
    Grundsätzlich liegt es im klugen Eigeninteresse des Selbst, sich nicht zu sehr mit Konflikten zu belasten. Nicht zu allen Zeiten ist es erforderlich, sich mit Anderen zu messen, und wenn doch, dann nicht zu lange, nicht zu heftig, nicht mit zu vielen zugleich. Zur Eingrenzung dienen Strategien der Konfliktverkleinerung , um manches einfach auf sich beruhen zu lassen, bis es nicht mehr wahrnehmbar ist. »Die meisten Dinge muss man unbeachtet hingehn lassen, zwischen Verwandten, Freunden und zumal zwischen Feinden. Alles Übermaß ist widerlich und am meisten bei verdrießlichen Dingen. Das abermals und immer wieder auf einen Verdruss Zurückkommen ist eine Art Verrücktheit« ( sic! , Gracián, Handorakel , Aphorismus 88). Vieles verliert sich in der Zeit, in der eine Energieaufwallung sich zerstreut und eine andere andernorts neu entsteht. Mag eine andere Zeit darüber entscheiden, was aus alten Konflikten wird, falls sich dann überhaupt noch jemand dafür interessiert. Irgendwann liegen alle Beteiligten sowieso unter der Erde, aus rein biologischen Gründen, und spätestens dann sind auch alle Probleme begraben. »Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals« (Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher , Heft D, 1773-75, 143). Schon aus diesem Grund ist es nicht sinnvoll, in Konflikten immer siegen zu wollen.
V on der Sinnlosigkeit, siegen zu wollen
    Das Siegenwollen heizt Konflikte an, denn siegen wollen viele, sich besiegen lassen aber nur wenige. Auf das Siegenwollen zu verzichten, erfordert keinen Verzicht auf Konflikte, nur eine Relativierung des Anspruchs, als Sieger aus ihnen hervorzugehen. Im Sieg sehen viele Sinn, aber den mühsamen Weg zum erhofften Sieg bereits als sinnvoll zu betrachten, macht eine mögliche Niederlage erträglicher. Den Sieg allein als Sinngebung zu akzeptieren, sich nur auf dieses Ziel zu fixieren, macht eine mögliche Niederlage

Weitere Kostenlose Bücher