Dem Sieger eine Handvoll Erde
zu. Neubauer ging ins Hotel, während Tracchia Harlows Verfolgung aufnahm.
Die Wärme des frühen Abends war einer empfindlichen Kälte gewichen, die von einem leichten Nieselregen begleitet wurde. Das paßte Tracchia wunderbar in den Kram. Stadtmenschen verabscheuen grundsätzlich alles, was über eine leichte Luftfeuchtigkeit hinausgeht, und obwohl das ›Cessni‹ in einem kleinen Dorf lag, traf auch hier dieses Prinzip zu: Bei den ersten Anzeichen von Regen leerten sich die Straßen zusehends, und die Gefahr, Harlow im Gewühl aus den Augen zu verlieren, war somit gebannt. Der Regen wurde immer stärker, und schließlich verfolgte Tracchia Harlow durch fast verlassene Straßen. Das allerdings verstärkte die Gefahr, entdeckt zu werden, falls Harlow auf die Idee kommen würde, einen Blick nach hinten zu werfen. Aber schon bald stellte Tracchia fest, daß Harlow nicht die Absicht hatte, sich umzusehen. Er ging mit schnellen entschlossenen Schritten, wie ein Mann, der ein festes Ziel vor Augen hatte und in dessen Überlegungen kein Raum für Blicke über die Schulter war. Als Tracchia das merkte, schloß er so weit auf, bis er nicht mehr als zehn Meter hinter Harlow war.
Harlows Benehmen wurde zusehends unsicherer. Er konnte immer schlechter geradeaus gehen und begann merklich zu schwanken. Einmal stolperte er gegen ein zurückversetztes Schaufenster, und Tracchia konnte für einen Augenblick Harlows Gesicht sehen: Sein Kopf rollte leicht hin und her, und seine Augen waren fast geschlossen. Aber er riß sich zusammen und ging zwar entschlossen, aber leicht schwankend weiter. Tracchia wagte sich noch näher an ihn heran. Auf seinem Gesicht mischte sich Belustigung mit Verachtung und Abscheu. Und dieser Ausdruck vertiefte sich noch, als Harlow – nach wie vor reichlich unsicher auf den Beinen – links um eine Ecke schlurfte.
In dem Augenblick, als er für kurze Zeit aus Tracchias Blickfeld verschwunden war, fielen alle Anzeichen von Betrunkenheit von Harlow ab und er preßte sich in einen dunklen Hauseingang. Aus seiner Gesäßtasche zog er einen Gegenstand, der nicht zur Grundausrüstung eines Rennfahrers gehört – einen Totschläger. Harlow schlüpfte mit der Hand in die Lederschlaufe und wartete.
Er brauchte nicht lange zu warten. Als Tracchia um die Ecke bog, wich sein verächtlicher Gesichtsausdruck unvermittelt echter Verblüffung: Die schlechtbeleuchtete Straße lag menschenleer vor ihm. Er beschleunigte seinen Schritt und kam nach sechs Schritten an dem Hauseingang vorbei, in dem Harlow wartete.
Ein Grand-Prix-Fahrer braucht ein Gefühl für Timing, Genauigkeit und scharfe Augen. Alle diese Eigenschaften hatte Harlow im Überfluß. Außerdem war er ungeheuer durchtrainiert. Tracchia verlor augenblicklich das Bewußtsein. Ohne ihn eines Blickes zu würdigen, stieg Harlow über den auf dem Boden liegenden Körper hinweg und setzte seinen Weg fort. Allerdings nicht in der Richtung, die er bisher eingeschlagen hatte. Er ging den Weg, den er gekommen war, etwa vierhundert Meter weit wieder zurück, wandte sich nach links und erreichte kurz darauf den Parkplatz, auf dem die Transporter standen. Es war höchst unwahrscheinlich, daß Tracchia, wenn er wieder zu sich kam, auch nur die leiseste Ahnung haben würde, wo Harlow geblieben war.
Harlow ging entschlossen auf den am nächsten stehenden Transporter zu. Trotz des Regens und der fast vollständigen Dunkelheit waren die fast sechzig Zentimeter hohen goldenen Lettern leicht zu entziffern: CORONADO. Er sperrte die Tür auf, kletterte in den Transporter, machte das Licht an. Die Lampen waren sehr stark, denn die Mechaniker benötigten für ihre Präzisionsarbeit sehr helles Licht. Hier war es nicht nötig, daß Harlow verstohlen und im trüben Schein einer roten Glühbirne arbeitete, denn es gab niemanden, der Johnny Harlow das Recht absprechen würde, sich in seinem eigenen Transporter aufzuhalten. Dennoch sperrte er vorsichtshalber die Tür von innen zu und ließ den Schlüssel im Schloß stecken, damit niemand von draußen aufsperren konnte. Dann verhängte er die Fenster, damit er nicht gesehen werden konnte. Und erst dann trat er an das Werkzeugregal und suchte sich heraus, was er brauchte.
MacAlpine und Dunnet waren wieder einmal unberechtigterweise in Harlows Zimmer und fühlten sich nicht gerade wohl. Nicht wegen ihres heimlichen Eindringens, sondern wegen ihres Fundes. Genau gesagt standen sie in Harlows Badezimmer. Dunnet hatte den Deckel des
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