Dem Tod auf der Spur
Kopf schütteln. Tod durch einen lose sitzenden Knopf an einem Sitzkissen – das war schon ein sehr skurriler tödlicher Zufall. Vor allem war ich beeindruckt von der detailbesessenen Sorgfalt der mit diesem Fall befassten Kriminalisten, ohne die uns der Geschehenshergang wohl auf immer verborgen geblieben wäre. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen waren dagegen zwar nur Standard, doch ohne deren Resultate hätten die Ermittler an zu vielen falschen Stellen suchen müssen. Was mich wieder einmal darin bestärkt hat, auch bei vermeintlichen Routineobduktionen sorgfältig und detailgenau zu sein. Nur so können wir Rechtsmediziner den Ermittlern die nötigen Fakten liefern, um mögliche Tatszenarios auszuschließen oder zu bestätigen.
Wie tückisch der Zufall zuschlagen kann, habe ich als Rechtsmediziner oft genug erlebt. In dieser Hinsicht ist der Fall des toten Jägers nur ein besonders spektakuläres Beispiel. Was mich in dieser Hinsicht mehr beschäftigt, sind die Faktoren, die dazu führen, dass es überhaupt zu solchen Todesfällen kommt.
Todesfälle durch Jagdwaffen sind, wie schon gesagt, keine Seltenheit – vor allem bei der Hobbyjagd. In einer Studie, die an einem großen deutschen Institut für Rechtsmedizin durchgeführt wurde, wurden 49 Todesfälle in Verbindung mit Jagdwaffen einmal näher untersucht. Jeweils 13 davon waren Tötungsdelikte und Unfälle, 23 waren Suizide.
Ich möchte dem Berufsstand des Jägers in keiner Weise seine Berechtigung absprechen. Natürlich ist die waidgerechte Jagd zur Erhaltung von Artenreichtum und gesundem Wildbestand in unseren Wäldern erforderlich, und von Berufsjägern wird unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt geschützt. Auch ist nicht jeder Hobbyjäger eine potentielle Gefahr für seine Mitmenschen. Doch die durch unsachgemäßen Umgang mit Schusswaffen verursachten Todesfälle geben mir immer wieder zu denken.
Da ist zunächst einmal die Hobbyjagd an sich: Ich selbst werde es wohl nie verstehen, warum es für viele Menschen eine besondere Faszination ist, sich bei Wind und Wetter in einen zugigen Hochsitz oder eben einen Ansitzwagen zu setzen, und das auch noch im Dunkeln, um auf irgendwelche Tiere zu warten und diese dann zu erlegen.
Dieser ausgesprochen einsame und daher sicher auch bisweilen eintönige Zeitvertreib führt zum zweiten Problem: Alkohol. In meinen Rechtsmedizin-Vorlesungen zum Thema »Schuss« gibt es immer wieder erstaunte Gesichter. Alkohol und tödliche Feuerwaffen? Das scheint nicht gut zusammenzupassen. Ich erkläre das dann meist etwas lapidar damit, dass es ja für dieJäger ausgesprochen langweilig sein muss, den ganzen Abend und die ganze Nacht im Dunkeln zu sitzen, ohne sich zu unterhalten, ohne Musik hören oder bei Licht lesen zu können, weil all dies das Wild abschrecken würde – für manch einen ist die eine oder andere Flasche Bier, ein Fläschchen Wein oder ab und zu ein kräftiger Schluck aus dem Flachmann ein probates Mittel gegen die Langeweile.
Und das ist erlaubt? Leider ja. Auch wenn nur wenige Jagdunfälle darauf zurückzuführen sind, dass der jeweilige Jäger alkoholisiert war, sollte es dennoch zu denken geben, dass in Deutschland der Genuss von Alkohol während der Jagd nicht verboten ist, solange dem Besitzer des Jagdscheins keine Abhängigkeit vom Alkohol nachgewiesen werden kann. Wer alkoholisiert Fahrrad fährt, kann seinen Führerschein verlieren. Wer alkoholisiert mit hochgefährlichen Feuerwaffen hantiert, hat vom Gesetzgeber meist nichts zu befürchten.
Trotz dieser kritischen Anmerkungen möchte ich noch einmal betonen, dass nicht alle Jagdunfälle auf unverantwortliches Handeln zurückzuführen sind – wie beispielsweise der tragische Todesfall, zu dem es im Oktober 2008 in der Nähe von Berlin kam: Hobbyjäger veranstalteten eine Treibjagd auf eine Gruppe Wildschweine, die zuvor immer wieder große Schäden in den Maisfeldern verursacht hatte. Dabei streckte einer der Jäger einen Eber nieder und näherte sich diesem anschließend zusammen mit einem Jagdkollegen. Doch das Tier war nicht tot und fiel den Kollegen des Schützen an. Die Hauer des Tieres – bei Wildschweinen werdensie bis zu 30 Zentimeter lang – drangen so tief in dessen Oberschenkel ein, dass es zu einer Verletzung der Oberschenkelarterie kam, einem bis zu einem Zentimeter dicken Gefäß, aus dem der Mann innerhalb weniger Minuten verblutete.
Nackte Tatsachen
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