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Demolition

Demolition

Titel: Demolition Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bester
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trug sie zum Fenster, riß die Vorhänge beiseite und trat die Fensterflügel auswärts, so daß ein gewaltiges Klirren erscholl, als die Scheiben zersplitterten. Draußen lag die Stadt in samtener Dunkelheit. Nur auf den Straßen und Hochstraßen funkelte Lichtschein, und oberhalb der Skyline sah man gelegentlich die scharlachroten Augen eines Jumpers dahinflitzen. Der Regen hatte aufgehört, und am Himmel schwebte ein bleicher Sichelmond. Der nächtliche Wind wisperte herein, zerfranste die Wolke von Parfümgestank aus den vielen zerbrochenen Fläschchen. »Ihr da draußen!« brüllte Reich. »Ihr alle... die ihr schlaft und träumt. Von nun an träumt ihr meine Träume! Ihr...« Unvermittelt verstummte er; seine Umarmung Duffys lockerte sich, und er ließ sie mit den Füßen auf den Boden rutschen. Er lehnte sich beiderseits in den Fensterrahmen und steckte den Kopf weit in die Nacht hinaus, verrenkte sich den Hals, um himmelwärts zu starren. Als er seinen Kopf ins Zimmer zurückzog, zeigte sein Gesicht einen Ausdruck von Verblüffung. »Die Sterne«, sagte er leicht lallend. »Wo sind die Sterne?«
    »Wo die was sind?« wollte Duffy wissen.
    »Die Sterne«, wiederholte Reich. Er wies fahrig an den Nachthimmel. »Die Sterne. Sie sind fort.«
    Verwundert musterte ihn Duffy. »Die was sind fort?«
    »Die Sterne,« rief Reich. »Sieh dir den Himmel an. Die Sterne sind verschwunden. Alle Sternbilder sind weg! Der Große Bär... der Kleine Bär... Kassiopeia... der Drache... Pegasus... Alle sind verschwunden! Am Himmel ist nur der Mond zu sehen! Sieh's dir doch selbst an!«
    »Alles ist genauso«, sagte Duffy, »wie es immer ist.«
    »Ist es nicht! Wo sind die Sterne?«
    »Welche Sterne?«
    »Ich kenne doch nicht alle ihre Namen... der Polarstern und... Wega... und... Wie zum Satan soll ich denn alle ihre Namen kennen? Ich bin kein Astronom. Was ist mit uns passiert? Was ist mit den Sternen geschehen?«
    »Was sind Sterne?« fragte Duffy.
    Reich packte sie wild mit rohem Griff. »Sonnen... die in heller Glut lodern und leuchten. Es gibt Tausende. Milliarden gibt's. Sie erhellen die Nacht. Was zum Teufel ist mit dir los? Verstehst du denn nicht? Im Weltraum hat eine Katastrophe stattgefunden. Die Sterne sind fort!«
    Duffy schüttelte den Kopf. Ihr Gesicht spiegelte Entsetzen wider. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Ben. Ich weiß wirklich nicht, wovon du redest.«
    Er schob sie zur Seite, drehte sich um und lief ins Bad, schloß sich ein. Während er sich in aller Hast duschte und anzog, hämmerte sie an die Badezimmertür und jammerte unablässig, er solle zur Besinnung kommen. Schließlich gab sie es auf; ein paar Sekunden später hörte er, wie sie mit beherrschter Stimme die Kingston-Klinik anrief. »Von mir aus soll sie selber zusehen, wie sie das mit den Sternen aufklärt«, murmelte Reich, hin-und hergerissen zwischen Wut und Schrecken. Als er angekleidet und fertig war, suchte er wieder das Schlafzimmer auf. Duffy unterbrach urplötzlich ihr Gespräch und kam zu ihm.
    »Ben...«, begann sie.
    »Warte hier auf mich«, knurrte er. »Ich stelle fest, was los ist.«
    »Was willst du denn feststellen?«
    »Was mit den Sternen los ist!« fuhr er sie an. »Allmächtiger, mit den Sternen, die verschwunden sind!« Er stapfte zur Wohnung hinaus und eilte auf die Straße. Auf dem menschenleeren Bürgersteig blieb er stehen und starrte erneut zum Nachthimmel. Er sah den Mond. Dort war ein hellroter Lichtpunkt... der Mars. Da noch einer... Jupiter. Sonst war nichts zu sehen. Schwärze. Schwärze. Schwärze. Sie hing über seinem Kopf ausgebreitet, rätselhaft, durch nichts gemi ldert, grauenhaft; durch irgendeine optische Täuschung schien der Himmel abwärts zu sinken, er lastete auf der Welt, bedrückte und lahmte, wirkte bedrohlich. Reich begann zu laufen, den Blick nach oben gerichtet. Er bog auf dem Fußweg um eine Ecke und prallte mit einer Frau zusammen, warf sie der Länge nach aufs Pflaster. Er half ihr beim Aufstehen.
    »Vertrottelter Scheißkerl«, keifte sie und brachte ihre Erscheinung wieder in Ordnung. »Auf der Suche nach einem kleinen Vergnügen, Pilot?« fragte sie dann mit öliger Stimme.
    Reich hielt sie am Arm. Er deutete aufwärts. »Sehen Sie mal. Die Sterne sind weg. Haben Sie's schon gesehen? Die Sterne sind verschwunden.«
    »Was ist verschwunden?«
    »Die Sterne. Merken Sie denn nichts? Die Sterne sind fort!«
    »Ich weiß nicht, von was du da redest, Pilot. Komm, laß uns eine schöne Nummer

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