Demon Lover
sich gesträubt hätte.
Ganz im Gegenteil.
Mit einem amüsierten Lächeln drückte Gerald seine Kippe im Aschenbecher aus. «Ich glaube, ich weiß, wo dein Problem liegt», erklärte er gewichtig.
Die Hand, mit der sie die Zigarette hielt, begann zu zittern. Ihr Herz begann heftiger zu schlagen. «Ach ja?», krächzte sie.
Gerald streichelte ihr den Arm, nicht wie ein Bruder, sondern eher wie ein Mann seine Geliebte. «Ich glaube, du hast es dringend nötig.» Er zwinkerte ihr zu. «Solltest du Lust auf ein bisschen Inzest haben, kannst du dich jederzeit an mich wenden.»
Kendra sprang auf und warf ihm den Zigarettenstummel ins Gesicht, während sie sich den Kopf zermarterte, ob seine Anspielung verletzend oder einfach nur beleidigend gewesen war. «Arschloch!», schnaubte sie. Und mit bebender, heiserer Stimme setzte sie hinzu: «Perversling!»
Als das Wurfgeschoss auf seinen Schoß fiel und ein kleines Loch in seine schwarze Armani-Hose brannte, sprang er auf. «Kendra, ich bitte dich.»
Kendra schlug das Herz bis zum Halse. Ihr Blut verwandelte sich in Eis, während ihre Haut brannte. «Ich denke, ich habe hinreichend klargemacht, dass ich in dieser Hinsicht keinerlei Interesse habe.»
Er tat unschuldig. «Wie meinst du das?»
Sie war versucht, ihn zu schlagen, und hätte es wahrscheinlich auch getan, wenn sie sich nicht auf einmal so zitterig gefühlt hätte. «Das weißt du ganz genau.»
Gerald breitete die Arme aus. «Du weißt doch, dass ich mich gern ein bisschen mit dir kabbele», sagte er vorwurfsvoll.
Kendra musterte ihn scharf. «Das ist nicht mehr komisch.» Sie hätte gern geglaubt, dass er nur scherzte, konnte sich aber des Gefühls nicht erwehren, dass mehr hinter seinen Avancen steckte als kindisches Gekabbel. Schon in ihrer Kindheit hatte Gerald sie mit seinen sexuellen Anwandlungen unter Druck gesetzt. Wenn sie sich anzog, hatte er in ihr Zimmer gespäht. Er hatte sie abgepasst, wenn sie allein war, und sich fester an sie gedrückt, als es unter Geschwistern schicklich war.
Obwohl sie keine Blutsverwandten waren, kam sie sich bei seinen Avancen schmutzig vor. Besudelt. Als wollte er sie sich unterwerfen.
Der Gedanke versetzte ihr einen Stich.
Mit Haut und Haar.
Er wollte sie beherrschen. Darauf verstand sich Gerald.
Kendra ließ die Hände sinken und ballte sie zu Fäusten. Sie wünschte, sie hätte ebenfalls die Kraft gehabt, die Zügel in die Hand zu nehmen. Die Fähigkeit dazu schlummerte derzeit tief in ihrem Inneren. Wie sollte sie sie aufwecken? Jedenfalls nicht dadurch, dass sie jammerte und sich selbst bemitleidete.
Oder sich von Gerald unter Druck setzen und einschüchtern ließ.
Ich habe keine Angst vor ihm
, dachte sie.
Doch das stimmte nicht, und das wusste sie auch. Gerald log sie an. Er verbarg etwas vor ihr. Etwas Wichtiges.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Kendra das Gefühl, dass ihr Instinkt sie nicht trog.
[zur Inhaltsübersicht]
12
Kendra lief unruhig im Wartezimmer auf und ab. Immer wieder sagte sie sich, sie wäre überall lieber als hier, wo die Stille und die Abwesenheit anderer Menschen ihre Angst ins Uferlose wachsen ließen.
Ich bekomme keinen neuen Nervenzusammenbruch.
Sie blieb stehen und streifte sich schweißfeuchte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre Haut spannte. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Sie ballte die linke Hand zur Faust und presste sie gegen ihre Handtasche, deren Riemen ihr in die Schulter schnitt.
Hinter ihr öffnete sich die Tür. «Miss Carter?»
Kendra fuhr herum und knüllte das Papiertaschentuch in ihrer Hand zusammen. Sie musste stark sein. Sie unterdrückte ihre aufwallende Panik. Der Moment der Wahrheit rückte näher.
Ihr zitterten die Knie. «Ja?», krächzte sie.
«Dr. Somerville ist jetzt für Sie da. Möchten Sie hereinkommen?» Die Arzthelferin vergewisserte sich mit einem kurzen Blick, dass im Raum alles in Ordnung war.
Kendra setzte ein beschwichtigendes Lächeln auf. «Ich bin so weit.» Die Würfel mussten rollen.
Dr. Marcus Somerville saß in einem Ledersessel mit hoher Lehne. Er war ein gepflegter Mann Ende dreißig, eine eindrucksvolle Erscheinung, die Kendra bisweilen verunsicherte. Nicht weil er in der Reha in ihrer Psyche herumgestochert hatte, sondern weil er einfach unglaublich gut aussah. Breite Schultern. Schlanke Hüften. Waschbrettbauch. Das dunkle, an den Schläfen angegraute Haar verlieh ihm einen Anflug von Reife, die ihn für junge Frauen besonders attraktiv machte. Seine wahre
Weitere Kostenlose Bücher