Demon Lover
sie doch nicht machen …»
Gerald, ein Mann der klaren Worte, fiel ihr mit brutaler Härte ins Wort. «Das können sie, und sie haben es getan.»
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11
Eine schmerzhafte Leere breitete sich in Kendra aus. Würde das denn nie ein Ende haben? Dass man jedes Wort und jede Handlung von ihr in Zweifel zog? Ständig stand sie unter Beobachtung und wurde beurteilt. Das ewige Herumstochern in ihrer Psyche und ihrem Körper gab dem unersättlichen Appetit ihrer Paranoia neue Nahrung.
Ungeachtet ihrer blank liegenden Nerven fasste sie sich wieder und fragte:«Dann verwaltest du jetzt also das Geld?» Eine rhetorische Frage. Sie wusste, dass Gerald unglücklich darüber gewesen war, dass ihr Vater hauptsächlich ihr die Kontrolle über das Vermögen übertragen hatte – für den Adoptivsohn, den Nathaniel Carter zwar wie seinen eigenen Sohn angenommen, aber nicht lieben gelernt hatte, ein Schlag ins Gesicht.
Als ihm bewusst wurde, dass er zu direkt gewesen war, machte Gerald eilig einen Rückzieher. «Du weißt doch, dass ich in deinem Sinne handle. Außerdem ist es nur vorübergehend, bis du wieder auf die Beine gekommen bist. Im Moment bist du doch psychisch und emotional völlig von der Rolle.»
Kendra schniefte und räusperte sich, damit sie wieder Luft bekam. Sie verspürte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Seit die Verlobung mit Michael Roberts geplatzt war, hatte sie alles auf Gerald abgeladen. Innerlich zuckte sie zusammen. Sie hatte sich weder im Vorstand blicken lassen noch an den Sitzungen teilgenommen, als über die Verwendung der Gelder entschieden wurde. Gerald hatte als ihr Anwalt und Rechtsvertreter alles für sie geregelt.
Auch Gerald räusperte sich und lenkte damit ihre Aufmerksamkeit auf sich. «Ich versuchte nur, es dir ein bisschen leichter zu machen. Du brauchst Zeit, um dich zu erholen, dein Leben wieder in den Griff zu bekommen und zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Nimm dir Zeit, um wieder gesund zu werden.»
Kendra straffte die Schultern und mobilisierte ihre ganze Willenskraft, um nach außen hin ruhig zu erscheinen. «Ich habe halt das Gefühl, alle schleichen auf Zehenspitzen um mich herum und trauen sich nicht, ein offenes Wort zu sagen, weil sie Angst haben, ich könnte zusammenbrechen», sagte sie und musterte ihn mit schmalen Augen.
Gerald seufzte. «An dem Tag, als Dad gestorben ist, hast du dich verkrochen. Sag selbst, was soll der Vorstand davon halten? Rechnungen müssen bezahlt werden; das Geschäft muss weitergehen. Es bringt nichts, wenn du dich in deinem Zimmer verkriechst und die Augen vor der Außenwelt verschließt. Das Leben muss weitergehen.»
Sie hatte das Gefühl, das Leben habe sie an den Rand einer vielbefahrenen Straße gestellt und ihr den Fuß auf den Hintern gesetzt. Ein Tritt, und sie würde von einem Auto erfasst werden. Tränen stiegen ihr in die Augen. Gerald hatte natürlich recht.
«Tut mir leid», flüsterte sie. «Das war egoistisch von mir.»
Als Gerald ihre Tränen bemerkte, zog er ein Taschentuch aus der Brusttasche seiner Jacke und reichte es ihr. «Falls es dich beruhigt, ich habe keinen uneingeschränkten Zugriff auf die Finanzen. Die Bank überwacht alle Transaktionen, und ich muss ihr gegenüber Rechenschaft ablegen. Wir können beide die Belege jederzeit einsehen. Das weißt du.»
Kendra nickte, nahm das Taschentuch, trocknete ihre Tränen und verschmierte dabei die Wimperntusche, dann putzte sie sich die Nase. Mit einem angestrengten, tränenfeuchten Lächeln wedelte sie mit dem Taschentuch. «Ich wollte dir keine Vorwürfe machen», sagte sie langsam. «Ich habe mir nur so Gedanken gemacht.»
Gerald lächelte herablassend, ganz der ältere Bruder, der die jüngere, verwirrte Schwester tröstete. «Vielleicht solltest du mehr unter Leute gehen. Schreib dich wieder am College ein und hol deinen Abschluss nach. Vielleicht solltest du dir auch ein interessanteres Fach als Strafrecht suchen.»
Das klang vernünftig. Erschöpft von den Ereignissen der letzten Zeit, verflüchtigte sich ihre Verärgerung. «Das wäre eine Idee», räumte sie vorsichtig ein.
Er nickte. «Beschäftige dich mit etwas, was dir richtig Spaß macht, zum Beispiel mit Musik oder bildender Kunst. Du musst auch nicht in Philadelphia bleiben. Mit Vaters Namen und seinen Beziehungen kannst du dir das College aussuchen. Wenn du willst, kannst du auch im Ausland studieren.»
Kendra nickte und betrachtete ihren Bruder. Auf einmal kam sie sich
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