Demon Lover
antwortete sie entschieden. «Ich glaube, heute Morgen ist mir klar geworden, dass mir die Richtung, die mein Leben eingeschlagen hat, nicht gefällt. Das war, als hätte man mir eiskaltes Wasser ins Gesicht geschüttet.»
Peinliches Schweigen entstand.
Jocelyn trommelte mit den Fingern aufs Sofapolster. «Das habe ich schon öfters erlebt.»
Kendra dachte daran, wie Gerald sie in die Dusche verfrachtet hatte, und biss die Zähne zusammen. Gerald hatte kein Recht, sie so zu behandeln, auch wenn er zornig gewesen war. Verdammt noch mal, sie konnte sich noch immer nicht erinnern, Wein getrunken zu haben.
Sie räusperte sich, denn sie hatte einen Kloß im Hals. «Dass ich hier ausziehe, ist das Wichtigste.» Innerlich zuckte sie zusammen. «Wusstest du, dass ich noch nie allein gelebt habe und selbständig entscheiden musste? Sogar auf dem College hatte ich eine Zimmergenossin und reichlich Taschengeld. Ich hatte noch nicht mal einen Teilzeitjob.» Da ihr Vater immer alles unter Kontrolle haben wollte, angefangen von der Ausbildung bis zur Wahl des passenden Ehemanns, war sie nie richtig erwachsen geworden.
Jocelyn verzog das Gesicht und rutschte unbehaglich auf dem Sofa hin und her. Sie selbst war auch nicht gerade ein Musterbeispiel an Selbstvertrauen. «Ich habe mir schon gedacht, dass die Männer in dieser Familie dazu neigen, die Frauen an die Wand zu drücken», bemerkte sie. Ihre Miene verdüsterte sich. «Warum sind Frauen so schwach und dumm, wenn es um gut aussehende Männer mit großen Schwänzen geht?»
Kendra hob die Hände, als wollte sie die Vergangenheit von sich wegschieben. «Ich jedenfalls will kein Fußabtreter mehr sein.» Sie kniff die Augen zusammen. «Vielleicht sollten wir beide uns mal darüber Gedanken machen.»
Anstatt ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und eigenständige Entscheidungen zu treffen, hatte Kendra die Verantwortung abgegeben. Erst an ihren Vater. Dann an Michael. Schließlich an ihren Stiefbruder. Alle drei Männer hatten sie in unterschiedliche Richtungen gezerrt, jeder hatte seine eigenen Absichten verfolgt. Sie hatte sich bemüht, allen gerecht zu werden, und am Ende hatte sie es niemandem recht gemacht.
Am wenigsten sich selbst.
Wenn man von allen Seiten unter Druck stand, musste es irgendwann zu Ausfällen kommen, und wenn ein Zahnrädchen brach, stockte das ganze Getriebe.
Alles in allem hatte der Dämon ihr geholfen, sich über ihre Lage klar zu werden. Als sie versucht hatte, das Chaos in ihrem Kopf zu ordnen, hatte sie die Menschen ihrer Umgebung genauer unter die Lupe genommen. Die Reibereien mit Gerald hatten ihr die Augen geöffnet. Es war durchaus möglich, dass der Dämon eine Reaktion ihres Unbewussten auf die zwischen ihnen knisternde sexuelle Spannung war. Sie konnte nicht leugnen, dass sie Gerald mal attraktiv gefunden hatte. Sie hatte sogar erwogen, seinen Avancen nachzugeben und mit ihm zu schlafen.
Das war jedoch vor seiner Heirat mit Jocelyn gewesen, und bevor Kendra Michael kennengelernt hatte. Zwischen ihnen war es nie zum Sex gekommen.
Und daran wird sich auch nichts ändern
.
Sie würde sobald wie möglich ihre Sachen packen. Wenn sie erst einmal Luft zum Atmen hatte, würde sie ihr Leben bestimmt wieder auf die Reihe kriegen.
Vielleicht würde dann auch Remi sie in Ruhe lassen.
Das Klingeln ihres Handys kam Jocelyns Erwiderung zuvor. Die Gitarrenriffs eines Rocksongs ertönten.
Kendra nahm das Handy aus dem Seitenfach ihrer Handtasche und warf einen Blick aufs Display. PRIVAT .
Wahrscheinlich wieder ein beschissener Werbeanruf
.
Schnaubend klappte sie das Handy auf. «Hallo?»
«Kendra?», meldete sich eine ihr bekannte Stimme.
Ihr stockte der Atem, die Kehle schnürte sich ihr zusammen. Auf einmal bekam sie keine Luft mehr. «Michael?» Ihre Hand zitterte so sehr, dass sie beinahe das Handy fallen gelassen hätte.
«Ja, ich bin’s», sagte Michael Roberts.
Sie bemühte sich, nach außen hin ruhig zu erscheinen. «Was willst du?»
Jocelyn machte eine fragende Handbewegung.
Gerald?
, formte sie mit den Lippen.
Kendra schüttelte den Kopf und legte die Hand aufs Mikrofon. «Michael.»
«Dein Ex?», flüsterte Jocelyn.
Kendra bedeutete ihr mit Blicken, still zu sein, und nickte.
Jocelyn zeigte aufs Handy. «Leg auf», sagte sie laut.
Untermalt von leisem Rauschen, tönte Michaels Stimme aus dem Handy. «Bist du noch dran?»
Kendra wandte sich von ihrer Schwägerin ab und ging in die Diele. «Ja, bin ich.» Und dann nach
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