Demonica - Ione, L: Demonica
umgerannt hätte. Sie baute sich direkt vor Wraith auf. Splitterfasernackt. »Wag es ja nicht, Shade mit Roag zu vergleichen! Du hast ja keine Ahnung, was du da sagst. Noch ein Wort, und ich hau dich um !«
In all den Jahren, die Eidolon Wraith nun schon kannte, hatte er seinen Bruder nicht ein Mal sprachlos erlebt.
Runa hatte soeben das Unmögliche vollbracht.
Runa drehte Wraith den Rücken zu und kniete sich auf den Boden neben Shade, der grau im Gesicht war und am ganzen Leib zitterte. Ein großer Teil seines Körpers wurde immer wieder unsichtbar. Was er für sie getan hatte, wie er es geschafft hatte, ihren Wunsch nach Bestrafung zu bekämpfen und gegen sich selbst zu wenden … das war ein Opfer, dessen wahres Ausmaß sie immer noch nicht begreifen konnte.
»Tut mir leid « , murmelte er. »So leid .«
Sie legte ihm die Hand auf die Wange, fühlte das raue Kratzen seiner Bartstoppeln. »Nein, das muss es nicht. Ich bin diejenige, der es leidtut. Was du für mich getan hast – «
»Ich würde es wieder tun .«
Ihre Augen brannten. »Das weiß ich .« Sie zerrte die Daunendecke vom Bett und wickelte sie beide darin ein. »Kannst du es fühlen? Ich bin frei !«
Die Schuldgefühle über den Tod ihrer Mutter waren verschwunden, wie auch ihre Wut auf Shade. Plötzlich spielte nichts mehr eine Rolle, bis auf die Verbindung, die sie teilten. Wenn sie auch nicht die sichtbare Markierung trug, machte das ihr Band doch nicht weniger stark.
Er schluckte. Einmal. Zweimal. »Die Dunkelheit in dir ist fort. Aber ich kann immer noch nicht … Bei den Göttern, Runa. Was ich dir angetan habe. Ich war noch nie imstande, die Frauen in meinem Leben zu beschützen. Ich tue ihnen immer weh. Ich habe dir wehgetan .«
»Schhhhh .«
Sie legte ihm einen Finger auf den Mund, und er zog sie auf seinen Schoß und hielt sie so fest, dass sie Mühe hatte, Luft zu bekommen. Der Klang seines Herzschlags dröhnte in ihren Ohren wie Schnellfeuer und übertönte nahezu vollständig die Stimme seiner Brüder, während Eidolon versuchte, Shades Gabe zu erklären; dass er Frauen von ihren Sorgen und Ängsten befreien könne. Wraiths wütenden Worten zufolge lief das Gespräch nicht allzu gut.
Sanft drückte sie sich ein Stück von ihm ab, blieb aber auf Shades Schoß sitzen. »Du musst mir jetzt sagen, was mit dir los ist .« Sie warf einen bedeutungsschweren Blick auf seinen linken Arm, der in verschiedenen Stadien der Durchsichtigkeit flackerte. Sie fühlte, wie er unter ihr zu zittern begann, und es brach ihr beinahe das Herz. Was auch immer das Problem war, es war schlimm.
»Weißt du noch, dass du mich nach dem Maluncoeur gefragt hast ?« Sie nickte. »Es ist ein Fluch. Ein Fluch, den ich selbst verschuldet habe .«
»Wie ?«
Er streckte die Hand aus, um ihr Haar zu streicheln, doch als es einfach so durch seine Hand glitt und nichts als ein zarter Luftzug zurückblieb, ließ er die Hand wieder fallen. »Weißt du, wie lange ich dafür gebraucht habe, nicht mehr auf den Hexenmeister wütend zu sein, der mich verflucht hat? Wie lange ich ihm die Schuld an allem gab, statt mir selbst ?« Er schüttelte den Kopf. »Ich war zwanzig. Meine Mom ging auf die Jagd und überließ mir die Verantwortung für meine Schwestern. Aber während sie weg war, begann die erste Phase des Wandels .«
Sie nickte. Sie erinnerte sich noch an das, was er gesagt hatte, und was sie über den Reifeprozess eines Seminus-Dämons gelesen hatte. »Man braucht einige Tage lang pausenlos Sex, um sie durchzustehen .«
»Ja. Ich verließ die Höhle auf der Suche nach weiblichen Wesen, nahm mir, was ich brauchte. Und wenn ich nehmen sage, meine ich es auch so .« Langsam ließ er die Luft aus seinen Lungen strömen und blickte zur Decke. »Ich hatte noch nie vorher Sex gehabt, und als jetzt der Wandel einsetzte, war der Sex irre, schnell und brutal. Ich brauchte Sex, um den Wandel zu überstehen, weißt du? Und als es dann vorbei war, wollte ich Sex, weil ich ihn wollte. Nicht, weil ich ihn brauchte. Klingt das irgendwie sinnvoll ?«
Eigentlich nicht, aber sie nickte dennoch. Sie merkte, dass sich seine Brüder vor die Schlafzimmertür zurückgezogen hatten, um ihnen ein wenig Privatsphäre zu lassen, und fragte sich, wie viel von dieser Geschichte sie bereits wussten und wie viel ihnen neu war.
»Also hab ich dieses menschliche Filmsternchen aufgerissen, statt in die Höhle zurückzugehen und meine Schwestern zu beschützen. Wir sind zu ihr gegangen .« Sein
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