Demonica: Versuchung der Nacht (German Edition)
den Ledersessel am Ende des Couchtischs setzte. »Und, hast du dem Kerl wenigstens kräftig in den Hintern getreten?« Sie nuschelte ein wenig. »Ich meine den Kerl, mit dem du dich geprügelt hast.«
»Es war kein Kerl.«
»Na ja, ich weiß ja, dass du nicht unterwegs warst, um ein Mädchen aufzureißen … Also, was ist passiert?«
»Hey«, sagte er, leicht verletzt. »Manchmal reiße ich schon Mädchen auf. Erst gestern zum Beispiel.«
Sie fing ihr Messer auf, um es gleich darauf wieder in die Luft zu schleudern. »Mh-mhh.«
»Echt.«
»Hast du sie umgebracht?«
»Ein bisschen.« Er warf die Füße auf den Tisch. »Aber das war nicht meine Schuld. Sie war eine Gottesanbeterin. Hat versucht, mich aufzufressen.«
Sin stieß ein kurzes Lachen aus. »Das kann auch nur dir passieren, Bruderherz.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu und drückte einen Talkshowgast weg, der über Liebe und Ehe sprach. »Und? Was ist mit der Tussi, die dir dermaßen in den Arsch getreten hat, dass du im Krankenhaus gelandet bist?«
»Sie hat meine Zielperson beschützt«, sagte Lore zurückhaltend, denn wenn dieser Auftrag eigentlich eine gute Nachricht war, wollte er Sin nicht wissen lassen, dass ihr Leben verwirkt war, sollte er versagen.
»Freiberuflich?«
»Nein.«
Sie wandte sich ihm so schnell zu, dass ihr Nacken hörbar knackte. Die Klinge, die noch durch die Luft gewirbelt war, landete im Armteil der Couch. »Ist das dein Ernst? Lore? Oder willst du mich verarschen?« Sie schaltete den Ton aus.
Das rhythmische Schlagen seines Herzens dröhnte in seinen Ohren und übertönte die Stille. »Ich mein’s todernst.«
Sie kreischte. Seine Schwester kreischte nie. »O mein Gott! Ich hatte schon Angst, das ist nur ein schlechter Witz. Das ist dein hundertster, Lore. Wir sind beinahe frei!« Mit zitternder Hand goss sie sich Schnaps in ihr Glas.
»Jepp.«
»Okaaaay.« Sie stellte ihr Glas wieder ab. »Du scheinst dich ja nicht sehr zu freuen.«
Scheiße. »Doch, sicher. Immerhin warten wir schon seit Jahrzehnten darauf.« Und es war, als wären Jahrhunderte seit dem Tag vergangen, an dem er zugestimmt hatte, einhundert Personen zu töten, im Austausch für seine und Sins Freiheit.
»Es ist der Termin, stimmt’s?«
Er blinzelte. »Woher weißt du das?«
»War nur geraten, weil’s bei mir genau dasselbe ist. Ein Job mit einer viel zu kurzen Frist.«
Lore drehte es vor Angst den Magen um. Es war noch nie zuvor passiert, dass sie einen Auftrag in weniger als zwei Wochen hatten erledigen müssen. »Was passiert, wenn du deinen Termin nicht einhältst?«
Sin blickte zur Seite und zog ihr Messer aus dem Holz.
»Sin?« Lores Stimme brach. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit verspürte er Furcht. Nicht um seinetwillen, sondern Sins wegen, die in ihrem Leben schon mehr als genug durchgemacht hatte.
»Er wird mich verkaufen«, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Er wird mir den Arm abhacken, damit ich damit niemanden mehr töten kann, und mich an die Neethulum verkaufen.«
O Gott. Die Neethulum waren eine unglaublich grausame Rasse, die Sklaven züchteten, abrichteten und verkauften. Insbesondere Sexsklaven. Ehe sie an Detharu verkauft worden war, hatte Sin ihr Leben als Sklavin gefristet, die alles tun musste, was ihr Herr von ihr verlangte, sei es nun, Drogen zu verkaufen oder Feinde zu töten. Aber die Neethulum würden dafür sorgen, dass ihr ihr damaliges Leben wie ein Tag am Strand vorkam.
»Das wird nicht passieren«, schwor er. »Ich werde helfen, deine Zielperson zu erledigen. Wer ist es?«
»Du hast doch selbst schon genug zu tun.« Mit dem Daumen prüfte sie die Schärfe ihrer Klinge. »Was passiert, wenn du es nicht rechtzeitig schaffst?«
»Nichts.«
Ihr Blick wurde stählern – silberne Scherben vor schwarzem Hintergrund. »Bockmist. Sag’s mir.«
»Wenn ich die Frist nicht einhalte, wird Deth meine Dienstzeit verdoppeln«, log er.
Sie betrachtete ihn argwöhnisch, als versuchte sie herauszufinden, ob er die Wahrheit sagte oder nicht. Sie hatte die Neigung, so ziemlich alles infrage zu stellen, vor allem, wenn es um Lore ging, und er fragte sich, ob sie ihm wohl jemals wieder vollkommen vertrauen würde.
»Aber du wirst deine Frist einhalten«, sagte sie endlich. »Wie immer. Und was ist passiert, als du versucht hast, deine Zielperson zu töten? Sieht dir gar nicht ähnlich, dich überrumpeln zu lassen.«
Das schrille Trillern eines Vogels vor dem offenen
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