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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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denke.«
    »Sprich weiter, Bruder, ich kann dich schon viel besser verstehen als am Anfang. Nun sage mir bitte, weshalb dein Gelübde aufgehoben worden ist.«
     
    *
     
    Köln, auf dem Weg in die Hosengasse,
    am Vormittag des 16.2.1327
     
    Nach der glücklichen Heimkehr von Schwester Demudis und der wundersamen Genesung von Schwester Hardrun ging Angela frohen Herzens mit Schwester Jutta zu dem Gewandmacher Salomo in die Hosengasse. Sie fasste Schwester Jutta an der Hand und schwang übermütig die Arme.
    »Dir ist so wohl zumute«, sagte Schwester Jutta, »seit du bei Salomo in der Werkstatt arbeitest.«
    »Sie ist klein«, sagte Angela, »aber es lässt sich etwas daraus machen. Wir werden viele Gewänder haben, mehr als wir brauchen, und sie für gutes Geld auf dem Tuchmarkt verkaufen.«
    »Und du lässt die Finger von den Burschen«, fügte Schwester Jutta hinzu.
    Angela lachte sie glücklich von der Seite an: »Bis auf einen.«
    »Aber das ist gewiss nicht der himmlische Bräutigam«, sagte Schwester Jutta und drückte die Hand von Angela sanft. Angela nahm dies als Zeichen der Zuneigung.
    »Nein«, sagte Angela ernst. »Er heißt Michel. Er wohnt in der Filzgasse. Ein armer Flickschuster … und ist so süß. Möchtest du wissen, wie ich ihn kennen gelernt habe?«
     
    *
     
    Köln, auf dem Weg ins Predigerkloster,
    am Vormittag des 16.2.1327
     
    Verloren kam sich Dirolf vor die wenigen Schritte, die er vom Barfüßerkloster zum Predigerkloster gehen musste. Musste. Es widerstrebte ihm. Bruder Hanß hatte ihm vorübergehend die Leitung der Kölner Barfüßer anvertraut, bis der Konvent einen neuen Abt gewählt haben würde. Das konnte gut er sein. Er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Bruder Hanß jedenfalls hatte Lebewohl gesagt und Bruder Dudo mitgenommen auf einen unbekannten Weg, von dem es, wie es schien, keine Rückkehr geben würde.
    Dirolf überlegte, wessen Verrat am schwersten wog, der von Bruder Hanß oder der vom ehrwürdigen Vater und Herrn Erzbischof Heinrich IL von Virneburg oder der des Predigerbruders Hermann de Summo. Keiner konnte leugnen, dass die Prediger von der wahren Christenheit abgerückt waren. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand eine auch nur halbwegs sinnvolle oder gar begründete Verteidigung der Prediger vorzubringen vermochte. Anstatt im unerschütterlichen Glauben auf die Heilige Schrift zu vertrauen, brauchten sie zahlreiche, meist höchst unverständliche Werke von ruchlosen heidnischen Philosophen, um zu dem zu kommen, was sie dann frech die Wahrheit nannten. Dabei war es doch eigentlich so einfach. So leicht. Man brauchte nichts anderes zu tun, als in sich hineinzuhören, stille zu werden und die überaus süße Stimme des Herrn zu vernehmen. Der Herr beantwortete alle Fragen, die recht waren, gestellt zu werden. Worauf es keine Antwort gab, dazu war der Mensch nicht befugt, es zu erfahren. Es gab da gewisse Grenzen für das, was der Mensch in der Zeit seines irdischen Daseins wissen durfte. Man musste ja bloß an den Sündenfall denken. Den Apfel vom Baum der Erkenntnis zu essen, das war doch schließlich der ursprüngliche Ungehorsam und das Verderben der Menschheit gewesen, das Adam und Eva allen ihren unglücklichen Nachkommen vererbt hatten und immer weiter vererben würden bis ans Ende aller Tage, wenn das Jüngste Gericht abgehalten werden würde.
    Noch schlimmer als um die Prediger stand es um die Beginen und die Brüder und Schwestern des freien Geistes, die weder der Vernunft noch der Schrift gehorchten, sondern nur dem Ruf ihres verderbten Fleisches. Aber die Prediger leisteten ihnen fahrlässig Vorschub, indem sie die ausschließlich am eigenen, körperlichen Wohlergehen ausgerichtete Lehre des ungetauften Philosophen, dieses Aristoteles, an die Stelle der weisen Worte des Herrn setzten.
    Der Herr war allerdings auch Milde. Im neuen Bund, der die Nachteile heilte, an denen es dem alten Bund gebrach, stand Vergebung dem Zorne und der Rache gegenüber. Die Nächstenliebe war wichtiger geworden als die Gerechtigkeit. Ja mehr noch, ohne die Barmherzigkeit konnte gar keine Gerechtigkeit bestehen. Bruder Hanß hatte das immerhin selbst bewiesen, damals, als er die beiden Schwestern des freien Geistes gegen den im Übrigen unzweifelhaft gerechten Zorn des Erzbischofs in Schutz genommen hatte. Das war allerdings geschehen, bevor Dirolf nach Köln ins Kloster gekommen war. Dirolf hegte nämlich nicht die Absicht, sich mit den Gottlosen

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