Demudis
Beschuldigung ist nie amtlich geführt worden, das ist entscheidend«, beharrte er. Seine Stimme überschlug sich.
Bruder Johannes hob die linke Hand, um Ruhe zu gebieten. »Mir ist zu Ohren gekommen, Schwester Demudis habe nachgeforscht und wisse mehr darüber als alle anderen. So bitte ich sie hiermit, uns nun zu offenbaren, was vorgefallen ist.«
Demudis fühlte sich geehrt, dass sie endlich offenbar machen konnte, was sie durch ihre aufopferungsvollen Erkundigungen herausgefunden hatte. »Danke, Bruder Johannes. Schwester Gutas Leben ist, wie wir erfahren haben, entgegen dem Scheine recht unstet gewesen. Ihre Herkunft ist vornehm, sie ist eine derer von Berg. Vor ungefähr dreißig Wintern war sie dem Herrn Adolf von Riehl versprochen worden, nachdem ihre Base, Mathilde von Berg, nunmehr Begine in Koblenz, ihm keine Kinder geschenkt hatte. Guta entzog sich allerdings der Heirat und versteckte sich bei den Barfüßern in Andernach. Sie trug jedoch bereits eine Leibesfrucht von Herrn Adolf von Riehl in sich und gebar einen Sohn namens Martin.«
Demudis hatte sich entschlossen, ihre Zweifel an der Vaterschaft des Herrn Adolf von Riehl nicht zur Sprache zu bringen, denn sie änderten am Laufe der Ereignisse nichts. Es würde bestenfalls zur Verwirrung führen und schlimmstenfalls dazu, dass der Graf sich gegen sie wandte, was sie durchaus nicht hätte gebrauchen können. »Gottes Wille führte Graf Walram zu den Andernacher Barfüßern, und sein Auge ruhte in Wohlgefallen auf ihr. Die Andernacher Barfüßer bewahren übrigens, wie ich erfahren musste, bis heute Stillschweigen darüber, wodurch auch immer der Graf ihre Treue erlangt oder durch welche Drohungen er sie eingeschüchtert haben mag. Der Graf nahm Guta zu sich. Martin gab er zu Pflegeeltern, einer Bauernfamilie in Katzenelnbogen. Wohl auf der Burg des Grafen, soweit ich verstanden habe, gebar sie einen zweiten Sohn, Bruder Hermann. Doch schlug sie das Ansinnen des verwitweten Grafen aus, ihn zu ehelichen. Stattdessen suchte sie im Beginenkonvent der Bela Crieg hier bei uns gleichsam Unterschlupf. Der Sohn wurde dem Herrn geweiht. Viele Jahre vergingen und verliefen in diesen … wenn man so will: geordneten … Bahnen. Oder auch: ungeordneten Bahnen. Graf Walram sei mein Zeuge.«
Demudis sah im einen Augenwinkel, wie der Graf nickte.
Im anderen Augenwinkel erblickte sie, dass Bruder Hermann sein Gesicht in den Händen vergrub, während er die Ellenbogen auf den Tisch aufgestützt hatte.
»Nachdem Martins Pflegevater Seifried ebenso wie dessen erstgeborener Sohn Felix, der Erbe, verstorben waren, wurde offenbar, dass Martin nicht seinem Blute entstammte, denn die Witwe des Bauern, Maria mit Namen, bestand darauf, dass nicht Martin, sondern der nächste ihrer Söhne das Erbe antrete. In den Gebieten des Grafen Walram achtet man streng auf Anerbenrecht; Erbteilung wird nicht zugelassen, um die Höfe reich und stark zu halten. Da Graf Walram sich dem Sohn seiner Konkubine verpflichtet fühlte, wollte er Martin zu dem Erbe derer von Riehl verhelfen, nachdem er vernommen hatte, dass der Herr Adolf im Begriffe stand, aus dem Körper auszuscheiden, und auch dessen dritte Ehe kinderlos geblieben war. Dazu aber bedurfte es des Zeugnisses der Mutter, Schwester Guta. Wiederum sei Graf Walram mein Zeuge.«
Graf Walram nickte.
»Nun verlassen wir den festen Boden der gesicherten Tatsachen und begeben uns auf schwankendes Eis. An Maria Lichtmess, dem Todestag des Herrn Adolf, hat sich Martin nach Köln begeben und Schwester Guta namens des Grafen Walram gebeten, für ihn Zeugnis vor den Verwandten des Herrn von Riehl zu seinen Gunsten abzulegen. Hat sie zugesagt? Dazu ist das Zeugnis von Hechard nötig.«
Demudis meinte zu erkennen, dass Hechard aus seiner scheinbaren Teilnahmslosigkeit aufschreckte und sie streng anschaute, während er sprach: »Mein Mund sei auf ewig versiegelt. Es war eine Sünde, Schwester, dir eine Andeutung zu machen, meine schwerste. Das Geheimnis der Beichte ist das Höchste aller Güter, denn was ich als Ohr Gottes vernehme, darf ich als Mensch nicht wissen.«
Erzbischof Heinrich nickte.
Nichts zu machen, bedauerte Demudis und fuhr fort: »Bruder Hermann dagegen hat behauptet, sie habe es abgelehnt.«
Bruder Hermann hob den Kopf und nickte nachdrücklich.
»Woher konntet Ihr das wissen?«, fragte Bruder Johannes und sah Bruder Hermann dabei mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Bruder Hermann aber blieb stumm.
Demudis nahm ihren
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