Demudis
Faust auf den Tisch. Obwohl er mit gebremster Kraft aufgeschlagen hatte und es nur ein leises Tok-Tok gegeben hatte, schreckten alle Versammelten wie aus einem tiefen Schlaf hoch.
»Lasst uns uns erheben und Gott um seinen Beistand anflehen«, sagte Johannes. Er sprach sehr langsam, ein wenig rau. Demudis fragte sich, ob das wohl daher kam, dass er so lange geschwiegen hatte, oder ob seine Stimme auch so geklungen hätte, hätte er die letzten fünfzig Jahre wie üblich gesprochen.
Nachdem sie sich wieder gesetzt hatten, sagte er:
»Ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof Heinrich, hochwürdiger Graf Walram, liebe Brüder und Schwestern. Unselige Dinge sind geschehen, und sie haben sich in unseliger Weise miteinander vermengt. Soweit mir bekannt ist, begann alles mit dem Vorwurf, den Bruder Hermann gegen Meister Eckhart wegen Abirrung im Lebenswandel erhob. Bruder Hermann habe das Wort.«
»Bruder Wilhelm wird für mich sprechen«, gab Bruder Hermann bekannt.
Was für ein Hundsfott, dachte Demudis erbost.
»Bruder …«, begann Wilhelm, aber er war sich offenbar nicht sicher, wie er Johannes ansprechen sollte, denn einenteils war er als Schweiger ihm nämlich untergeordnet, andernteils führte er den Vorsitz dieser Versammlung und war dereinst gar ein Magister der Theologie gewesen. Außerdem war er der Ältere. Wilhelm setzte neu an: »Ehrenwerter Vater Johannes, darf ich daran erinnern, dass Bruder Hermann im Auftrag des hochwürdigen Erzbischofs gehandelt hat?«
Bruder Johannes schaute Erzbischof Heinrich an.
Ohne die Augen zu öffnen, sagte dieser, indem er mit der linken Hand eine weitläufige, auf seine Nebensitzer Bruder Dirolf und Bruder Hermann machende Geste vollführte: »Uns ist hintertragen worden, dass der Bruder Eckhart, den man den Meister nennt unter den Predigern, ketzerische Dinge lehrt wie die Ewigkeit der Welt und anderes, was der Schrift widerspricht in Worten und im Geiste; sowie dass derselbe unter den Beginen eine Holde sein Eigen nenne. Da durften wir um Gottes willen nicht untätig bleiben.«
»Bruder Hermann hatte sie …«, begann Bruder Wilhelm eifrig fortzufahren, um dann aber ins Stottern zu geraten, »… auf f … fr … fri … frischer Tat …«
Demudis warf einen raschen Seitenblick auf Hechard. Er starrte unverwandt ins Leere. Sie rief:
»Schwester Guta war die ganze Zeit über die Konkubine des Grafen! Sie kann nicht diejenige von Hechard …«
Erzbischof Heinrich unterbrach, weiterhin ohne seine Augen zu öffnen oder sich jemandem zuzuwenden. Seine Stimme war leise und monoton, aber durchdringend: »Wenn eine unerlaubt herumstorcht, dann kann sie es doch auch mit mehreren tun wie die Huren, oder?«
»Wollt Ihr ihre Treue bezweifeln?«, fragte Graf Walram scharf. Sein Gesicht bekam nun, wie Demudis bemerkte, sogar ein wenig Farbe.
»Ihre Treue hätte dem Herrn gehören müssen«, stellte Bruder Dirolf fest, gab einen Schnalzlaut von sich und fuhr sich mit der Hand über den Mund.
»Jedenfalls ist sie, so weit ich das aus eigenem Augenschein feststellen konnte, gemeuchelt worden«, meldete sich Bruder Johannes wieder zu Wort.
Demudis bemerkte, wie sich aus Graf Walrams linkem Auge eine Träne löste und zögernd über die Wange lief.
Bruder Johannes fuhr fort: »Und Bruder Hermann hat Meister Eckhart beschuldigt, dieselbe Tat beauftragt zu haben, um sich des Beweises seiner Abirrung zu entledigen –«
Demudis gewahrte, wie Hechard ganz leicht den Kopf schüttelte, sodass ihr klar wurde, er würde trotz seiner abwesenden Miene allem genau zuhören, was man hier sagte.
Bruder Wilhelm hatte seine Sprache wieder gefunden und bemühte sich offenbar, mit großem Nachdruck vorzubringen: »Entschuldigt, ehrenwerter Vater, wenn ich Euch unterbreche, Bruder Hermann hat diese Anklage niemals öffentlich erhoben, weil er auf das Zeugnis des … Grafen, seines Vaters, wartete.«
Demudis schlug wütend mit der geballten Faust auf den Tisch. »Auch wenn es sich für mich als ein Weib nicht geziemt, so muss ich doch das Wort an mich reißen, um zu sagen, was kein anderer tut: Graf Walram kann nur bezeugen, was Bruder Hermann ihm gegenüber kundgetan hat. Er verfügt über keine eigenen Beweise. Wie kann geduldet werden, dass ein solcher Bube wie dieser unwürdige Bruder da eine Narretei verbreitet, dergestalt, dass jemand als wahr bezeugt, was er nur von üblem Leumund vernommen hat?«
Bruder Wilhelm zuckte mit den Lidern, aber ließ sich nicht zum Schweigen bringen. »Die
Weitere Kostenlose Bücher