Demudis
Sätze des Meisters, die gegen den rechten katholischen Glauben gehen, zu benennen. Er hat erklärt, dass er sie widerrufe. Also ist er kein Ketzer.«
»Das steht nicht zur Verhandlung«, wies ihn Bruder Johannes zurecht. »Der Prozess vor der heiligen Inquisition ist ausgesetzt, wie Ihr wohl wissen solltet.«
Erzbischof Heinrich schaute griesgrämig in die Runde. »Was die Abirrung im Lebenswandel betrifft, haben wir kein letztgültiges Zeugnis vernommen.«
»Das Zeugnis für diese Anklage scheint nach dem von Schwester Demudis Vorgebrachten von einem übel beleumundeten Manne zu stammen«, belehrte ihn Bruder Johannes. »Dies ist keine gute Grundlage derselben.«
»Dieses Weib, diese … Schwester Guta, hat gleichfalls schmutzige Flecken auf ihrer Seele. Das steht den Beginen schlecht an«, versuchte Bruder Wilhelm, die Anklage aufrechtzuerhalten.
Demudis geriet außer sich vor Wut und brüllte: »Bruder Hermann ist der Mörder!«
Die anderen zuckten ob der ungeheuerlichen und heftig gesprochenen Worte zurück.
Bruder Wilhelm aber erwies sich zäher als gedacht: »Das ist ein neuer Vorwurf. Er gehört hier nicht her. Außerdem ist er nicht bewiesen. Hochwürdiger Bruder Johannes, ich bitte Euch, mir zu bestätigen, dass es kein Beweis für ein Vorkommnis darstellt, wenn nur eine der verschiedenen Möglichkeiten ausgeschlossen wird. Wenn dieser Bauer nicht als Mörder in Betracht kommt, beweist das allein noch keineswegs, dass es Bruder Hermann tut. Vielmehr steht fest, dass das Zeugnis eines Mannes, des Grafen Walram, angenommen wurde, der seinerseits einen Unschuldigen hinrichten ließ.«
»Wer sonst als Bruder Hermann?«, fragte Demudis. »Er wollte keine Begine als Mutter, und er wusste als Einziger, dass sie zu eben jener Zeit nach Riehl aufgebrochen ist.«
»Als Einziger? Was ist mit Meister Eckhart?«, rief Bruder Wilhelm verzweifelt.
Er hat durchaus Recht, musste Demudis zugestehen. Gleichwohl würde, wenn man nur mal rein gedanklich annehmen wollte, Meister Eckhart habe die Meuchelung in Auftrag gegeben, Bruder Hermanns Verhalten, insbesondere die falsche Beschuldigung von Martin, nicht zu erklären sein. Was allerdings ein Geheimnis bleiben wird, ist die Frage, ob Schwester Guta und Meister Eckhart sich erkannt haben. Das aber möge Gott richten, nicht der Mensch. Insgleichen würde die Frage nach der Vaters chaft des Herrn Adolf zu Riehl auf ewig in ein Dunkel gehüllt sein, denn der Vater ist, wie die römischen Rechtsgelehrten weise sagten, immer ungewiss.
Bliebe noch zu überlegen, ging es Demudis durch den Kopf, ob nicht doch Herr Bruno, der Bruder des verstorbenen Herrn Adolf von Riehl, Schwester Guta aufgelauert haben könnte. Sie verwarf diesen Gedanken jedoch. Denn auch für ihn galt, dass er den genauen Zeitpunkt, wann sie aufbrechen wollte, nicht kannte. Außerdem würde wiederum das Verhalten von Bruder Hermann kaum zu erklären sein. Vor allem würde er jetzt, wenn er frei von Schuld wäre, mehr Kraft aufwenden, um dies zu beteuern und darzutun. Ihr fiel allerdings eine mögliche Verteidigung für Bruder Hermann ein: Bruder Hermann könnte behaupten, Schwester Guta habe in dem Gespräch mit Martin ihr zustimmendes Zeugnis zugesagt, aber nach der Beichte bei ihm sich dazu durchgerungen, die ganze Wahrheit kundzutun, eingeschlossen dass Martin der Sohn eines anderen sei. Genau das nahm Demudis ja auch tatsächlich an, denn Schwester Guta hatte angekündigt, sie wolle allen die Wahrheit sagen. Zu ergänzen wäre: Martin und dem Grafen, dass der Herr Adolf von Riehl nicht Martins Vater sei. Jedoch würde diese Überlegung Bruder Hermann doch gar nicht viel nützen, führte Demudis ihren Gedanken weiter, denn es wäre dann nicht möglich, dass Martin von ihrem Sinneswandel erfahren hatte.
Konnte sie auf irgendeine Weise ausschließen, dass Herr Bruno der Würger war? Sie wandte sich an Bruder Wilhelm: »Wann ist Bruder Hermann nach Katzenelnbogen aufgebrochen?«
Bruder Wilhelm schaute auf einen Punkt links oben im Raum. »Am Tage der heiligen Adelheid«, antwortete er.
Demudis versuchte, Bruder Wilhelm mit ihren Blicken zu durchbohren. »Zu welcher Tageszeit?«
»So um die …«, begann Bruder Wilhelm.
Am Rande ihres Gesichtsfeldes nahm Demudis wahr, dass Bruder Dirolf ein Zeichen machte.
»… um die Sext«, vollendete Bruder Wilhelm den Satz, aber schlug sich die Hand vor den Mund, als er es ausgesprochen hatte.
*
Bruder Johannes, der sich auf Zeichen gut zu verstehen
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