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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Henker abzubitten. »Sie … sie trauert so sehr um Martin.«
    »So sei es«, stimmte Graf Walram zu.
    Beim Hinausgehen raunte Demudis, von Neugier getrieben, Bruder Hermann die Frage zu: »Wer war der Vater von Martin? Hat es deine Mutter dir offenbart?«
    »Herr Adolf von Riehl«, murmelte Bruder Hermann schwach. Er hatte allerdings einen Augenblick gezögert, um zu seinem Vater hinüberzublicken. Zu lange, als dass Demudis ihm Vertrauen schenken konnte.
    Er will seinem Vater diesen Schmerz ersparen, dachte sie, vielleicht steckt ja doch noch ein guter Kern in ihm. Immerhin bewahrte er nicht anders als Hechard das Geheimnis der Beichte, und das sollte ihm hoch angerechnet werden. Doch dann traf sie eine Erkenntnis wie ein Keulenschlag: Schwester Guta hatte bei ihm gebeichtet. Die ganze Wahrheit, wie sie angekündigt hatte. Die ganze Wahrheit aber lautete, dass Bruder Hermann nicht, wie sie es dem Grafen weisgemacht hatte, sein Sohn war. Das war die ganze Wahrheit, die sie dem Grafen hatte offenbaren wollen, so wie Demudis es schon beim Gespräch mit dem Grafen in Katzenelnbogen in den Sinn gekommen war. Auf diese Weise ließe sich nämlich erklären, warum sie auch Paul als jemanden aufgezählt hatte, dem sie eine Wahrheit zu sagen gedachte, nämlich das er der Vater von Bruder Hermann sei. Sie hatte vermutlich nach Riehl gehen wollen, um Adolf von Riehl als Vater von Martin zu bestätigen, sich allerdings kurzfristig anders entschieden. Was das betraf hatte Bruder Hermann demnach nicht mit falscher Zunge gesprochen! Und dann hätte sie den Grafen ebenso von der anderen Wahrheit nicht verschont, dass Bruder Hermann durchaus nicht, wie er annahm (und sie ihn glauben gemacht hatte), sein Sohn war. So hatte Bruder Hermann in der Beichte einen vornehmen Vater gefunden, der ihm eine glänzende Zukunft zu versprechen schien, im gleichen Atemzug war er ihm jedoch wieder abhanden gekommen. Darum hatte er Schwester Guta sterben lassen müssen, um sich diesen Vater zu bewahren.
    Demudis schaute Graf Walram an. Sie beschloss, ihm diese Gedanken zu verheimlichen. Die Wirklichkeit, die aus Schwester Gutas Wahrheit folgte, sollte nicht noch mehr Menschenleben kosten. Wenn sie nach dem Vater der zwei Söhne von Schwester Guta suchen wollen würde, würde sie selbstredend in Andernach beginnen. Es war zwar nicht ausgemacht, dass Abt Paul dieser war, von einem oder von beiden. Aber Demudis nahm es an. Sie entschied sich insgleichen, ihm die Kunde nicht zu überbringen. Schlimmer noch als ohnehin würde er sich grämen, wüsste er darum, unter welchen Umständen der eine ungerecht gerichtet worden war, während der andere seine Mutter erwürgt hatte. Es war sicherlich besser, dass der Graf sich fürderhin als Vater des einen dünken und seine Schuld wie die seines vermeintlichen Sohnes sühnen konnte. Und Martin, der andere Sohn? Er war begraben. Für Anna würde gesorgt werden. Bruder Hermann allerdings würde Tag für Tag die Lüge seiner Mutter tragen müssen. Indem er sie erwürgt hatte, hatte er sich ihre Lüge aufgeladen und würde ihr sein Leben lang verhaftet bleiben. Mehr Gerechtigkeit und mehr Glück konnte in diesem Jammertale hienieden nicht beschieden werden. Der Richterspruch jedoch lag einzig in der Hand des Höchsten. Und dass die Milde des Herrn Schwester Guta die Sünden vergeben hatte, war ihr nicht nur eine Gewissheit des Glaubens, sondern sie hatte selbst bei deren Totenmesse geschaut, wie Er gesagt hatte: »Jetzt, meine Geliebte, werde ich dich erhöhen« und Schwester Gutas Seele in unbeschreiblicher Weise durch seine heiligen Wunden gegrüßt hatte. Denn Er ist gestorben um unserer Sünden willen.

 
Epilog
     
    Im Jahre des Herrn 1329, am 27. März, erhielt der Erzbischof von Köln, Heinrich II. von Virneburg, zu der Zeit fünfundachtzig Jahre alt und noch weitere drei schlimme Jahre im Amte, die Bulle »In agro dominico« vom ebenso alten und verhärteten Papst Johannes XXII. aus Avignon. Darin wurde der Erzbischof aufgefordert, bekannt zu geben, dass siebzehn von achtundzwanzig Thesen des kürzlich verstorbenen Predigermagisters Johannes Eckhart, genannt Meister, nach eigenem Eingeständnis als »ketzerisch« und der Rest als »übel riechend« anzusehen seien. Aber das fand keinerlei Beachtung mehr.
    Die Beginen des Konventes Bela Crieg in der Stolkgasse und die Predigerbrüder im Kloster daselbst jedoch mussten auf diese Weise erfahren, dass ihr verehrter Meister auf dem Wege nach Avignon oder in

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