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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Abt.
    Das schrumpelige Gesicht des Erzbischofs lief tiefdunkel an, er öffnete den Mund, sodass zu sehen war, über wie wenige Zähne er noch verfügte; doch er schloss den Mund wieder, ohne etwas zu sagen. Er schluckte und warf den alten, spärlich weiß behaarten Kopf nach hinten. Dann sagte er: »Wir haben das überhört. Macht Euch nicht anheischig, uns maßregeln zu wollen, denn Ihr habt in der schrecklichen Zeit, von der wir soeben zu sprechen uns gezwungen sahen, einigen der Ketzerinnen Zuflucht bei Euch gewährt, Ketzerinnen der so genannten Schwestern des freien Geistes, die fürbass unbehelligt leben konnten. Diese ungeheuerliche Treulosigkeit uns gegenüber haben wir all die Jahre geduldet und demütig getragen als unser Kreuz. Bislang haben wir unsere Augen missgünstig bloß auf die Prediger gerichtet, aber wenn es Euch lieber ist, grad’ mit ihnen unseren heiligen Zorn zu erregen, macht nur weiter so, lieber Herr Abt Hanß.«
    Wilhelm sah, wie Abt Hanß zunächst die Augenbrauen erschreckt hochzog, dann aber die Augen gefährlich zu Schlitzen werden ließ.
    »Was seid Ihr doch, ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof, für eine armselige Gestalt, dass Ihr meint, solcherart mit dem Abt der Minoriten reden zu sollen?«
    »Der Streit bringt doch nichts«, versuchte Bruder Hermann wieder, Einfluss auf den Gang der Ereignisse zu erlangen. »Überlegen wir besser, was zu tun ist.«
    Abt Hanß lehnte sich zurück in seinem Stuhl und schaute Bruder Hermann an. »Was hat das eigentlich für eine Bewandtnis, dass Ihr hier sitzt und Euch, wie es mir deuchen will, gegen die Prediger, Euren eigenen Orden, verschwört?«
    Wilhelm erschrak. Erst jetzt wurde ihm bewusst, allerdings nur unbestimmt, woran er hier, wiewohl schweigend, teilnahm. Nein, die lieben Brüder wollte er nie und nimmer verraten. Man sollte schließlich zusammenhalten im Guten wie im Schlechten. Andererseits musste er auch seinem Freund zur Seite stehen. Was führte dieser im Schilde? Der Abt hatte Recht: Warum stimmte er in die Hetze des Erzbischofs wider die Prediger und die Beginen ein? Er sah zu Bruder Hermann hinüber. Er schien mit der Antwort zu zögern.
    Der Erzbischof antwortete an Bruder Hermanns Statt: »Es macht uns um ein Vielfaches glaubwürdiger, wenn es einer aus den Reihen der ihren ist, der die Anklage gegen diesen Ketzer Eckhart erhebt. Das Volk wird ihm Glauben schenken, uns nicht.«
    »Er will Abt werden«, stellte Hanß mit Abscheu fest. »Er will Bruder Norbert beerben, der, wie zugegeben werden muss, nicht die größte Leuchte unter unsereins ist, aber, soweit ich sehe, tadellos.«
    Wilhelm sah, wie der Erzbischof bestätigend lächelte. Oh, was für ein schöner Gedanke, ging es Wilhelm durch den Kopf, wenn mein großherziger Freund wirklich dereinst Abt werden würde! Aber durfte er das auf Kosten der Mitbrüder? War es Recht, das hehre Ziel auf diese Weise zu erreichen? Gar Meister Eckhart war erwähnt worden! Offenbar war Bruder Hermann eingeweiht in ein Vorhaben, von welchem er, Wilhelm, nichts geahnt hatte. Nun erst, verspätet, begann ihm die ganze Tragweite des Gespräches zu dämmern. Er erstarrte, denn er konnte es sich im Augenblick nicht erlauben, darüber nachzudenken, was er davon halten sollte.
    »Ehrenwerter Vater und Herr Abt Hanß«, sagte Bruder Hermann mit einschmeichelnder Stimme, nachdem er erneut einen großen Schluck Wein genommen hatte. »Es erfüllt mich mit unendlicher Betrübnis, dass Ihr so schlecht von mir denkt. Aber lasst mich Euch die Lauterkeit meiner Absichten beweisen. So habe ich mich noch unmittelbar, bevor wir zu diesem Treffen uns begaben, der ketzerischen Gedanken des fälschlich verehrten Bruders Johannes Eckhart vergewissert, den sie den Meister nennen. Bruder Wilhelm hier ist mein Zeuge.«
    Wie ohne es zu wollen, nickte Wilhelm zur Bestätigung.
    »Bruder Eckhart predigt von der Ewigkeit der Welt«, berichtete Bruder Hermann von der Unterredung, »das aber steht im Widerspruch zur Schrift, die die Welt sowohl als erschaffen bestimmt, nämlich in der Genesis im alten Buch, wie auch als vergänglich, nämlich durch das Jüngste Gericht, von dem der Herr im neuen Buch zu uns spricht.«
    »Die Ketzerei der Sarazenen«, bestätigte Abt Hanß. »Dafür seid ihr Prediger ja anfällig. Das stammt aus der Metaphysik des Aristoteles, des ungetauften Philosophen.«
    »Erzählt ihm von der Dirne, der dreckigen Begine, die er rippelt!«, rief der Erzbischof erregt Bruder Hermann zu. Wilhelm

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