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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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mir nicht übel. Ich hab es nicht so gemeint. Nur, ich bitte euch, bleibt friedlich, wie es unserem Stand gebührt. Ansonsten macht, was ihr wollt.«
    »Wenn du so nachgiebig bist«, maulte Schwester Hardrun, »wird die Androhung der Strafe auf die Gottlosen keine züchtigende Wirkung mehr haben, von der Schwester Guta so ehrerbietig gesprochen hat.«
    »Halt die Klappe, du vertrocknete Magd«, stichelte Schwester Angela. »Witwen sind ja schön und gut, aber wenn eine nimmer einen Mann erkannt hat, gehört die doch ins Kloster, oder?«
    »Und was ist mit mir?«, fragte Schwester Godelivis mit aufgerissenen Augen.
    Demudis sah, wie Magistra Sela hängenden Kopfes das Schlafgemach verließ. Sie ist so empfindsam, dachte Demudis, viel zu empfindsam für unseren derben Haufen.
     
    *
     
    Köln, Palast des Erzbischofs,
    am Vormittag des 30.1.1327
     
    Erzbischof Heinrich empfing Bruder Hermann gnädig, indem er ihm die Wange zum Kusse bot, übersah Wilhelm dagegen geflissentlich. Überdies war noch ein Mann Zugegen, den Wilhelm als Abt Hanß der Barfüßer erkannte. Erzbischof Heinrich II. von Virneburg war so alt wie die Erzväter Israels, älter gar als der große Magister Albertus je geworden war, dessen Geist im Predigerkloster nach all den Jahren seines Heimganges immer noch lebendig war. Erzbischof Heinrichs Gesicht war eingefallen, seine Haut wie Leder, seine Gestalt hager, aber trotz seines hinfälligen Körpers umwehte ihn ein Hauch von Kraft und Macht. Kerzengrade stand er im vollen Ornat da, angetan mit einem kostbaren, goldgesäumten Mantel, der ihn vor der Kälte schützen sollte. Der einäugige Abt Hanß dagegen, kaum halb so alt wie der Erzbischof, war wohlbeleibt und machte einen krummen und schiefen Buckel in seiner einfachen braunen Kutte. Barfuß allerdings ging er nicht, nicht bei dieser Kälte. Das Auge hatte er, wie die Sage ging, in jungen Jahren im Kampf um die Gunst der Magd Agnes verloren, die die Männer, die um sie buhlten, gegeneinander gehetzt hatte. Während der Genesung bekehrte Hanß sich auf Geheiß der Mutter und leistete das Gelübde der ewigen Keuschheit, um nur noch mit der himmlischen Jungfrau zu verkehren und ihr Treue zu halten. Ihm war es zu verdanken, dass seit vielen Jahren die anderenorts herrschende gewaltsame Feindschaft zwischen den Barfüßern und den Predigern in Köln beigelegt war und die beiden Bettelorden weitgehend in Frieden Seite an Seite leben konnten. Gebe Gott, dass dies so bleiben möge!, wünschte Wilhelm.
    »Wer ist der da?«, fragte Abt Hanß, abschätzig die Mundwinkel heruntergezogen und mit dem Finger zeigend. Aus seinem linken Mundwinkel tropfte Sabber. Wilhelm wich unangenehm berührt zurück. Die Stimme von Abt Hanß war erstaunlich tief, wenn er auch bisweilen schrille Obertöne erzeugte.
    Die Antwort von Bruder Hermann fiel, während er auch dem Abt die Wange küsste, die dieser allerdings schnell zurückzog, honigsüß aus. »Ehrwürdiger Vater und Herr Abt Hanß, ich verbürge mich für ihn. Er wird sich mit Äußerungen zur Gänze zurückhalten, wie es ihm geziemt, aber unser Treffen bezeugen können.«
    Abt Hanß wandte sich an Erzbischof Heinrich. »Haltet Ihr das für nötig, ehrwürdiger Vater und Herr?«
    »Für unumgänglich«, knurrte der Gefragte.
    Wilhelm schaute verdutzt von einem zum anderen und wäre am liebsten im Boden versunken. Nur Bruder Hermann schien sich wohl zu fühlen.
    »Wollt Ihr unsereins verdursten lassen?«, fragte er den Erzbischof vorlaut.
    Abt Hanß wehrte ab: »Wollen wir es nicht kurz machen, denn …?«
    Der Erzbischof unterbrach allerdings und wollte wohl gastfreundlich wirken, aber es schien Wilhelm, als verberge sich unter seiner Fröhlichkeit etwas anderes, nämlich eine tiefe Traurigkeit. Denn wenn irgendwo in seinem Inneren verborgen auch nur der kleinste Funke wahren Glaubens glühte, musste er doch, fühlte Wilhelm, an dem Abgrund leiden, der sich zwischen seinem Amt und der vom Herrn geforderten Milde auftat. »Warum nicht? Freunde sind uns stets willkommen. Wir brauchen dazu keinen Grund. Dies ist keine Verschwörung, wenn uns jemand fragt.« Der Erzbischof klatschte kurz in die Hände und befahl einem Diener, Wein zu bringen.
    Langsam hinter dem mühsam schlurfenden Erzbischof Heinrich hertrippelnd begab man sich an eine Tafel, die mit einer wertvollen schweren Decke aus Damast bedeckt war. Der Erzbischof nahm umständlich auf einem reich mit Gold und Edelsteinen verzierten Thron mit purpurfarbenen

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