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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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fand bestätigt, dass der Erzbischof schon ausführlich mit Bruder Hermann über Meister Eckhart geredet haben musste.
    »Ja, es gibt da eine Schwester im Konvent der Bela Crieg, Guta mit Namen …«, begann Bruder Hermann.
    Der Erzbischof aber quiekte weiter: »Und das in seinem Alter! Stellt Euch das vor, Herr Abt Hanß, mein Junge, wir bitten Euch. In seinem Alter! Ist das nicht widerlich? Widerlich! Einfach widerlich!«
    »Gedenkt, in welchem Alter Abraham nach Gottes ausdrücklichem Willen den Isaac zeugte, wie es in der Schrift berichtet wird«, wandte Abt Hanß ein. »Doch habt Ihr Recht, ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof. Es ist eine Schande für die Kirche. Ist schlecht für das Volk. Es wird zügellos darob, wie Bruder Dirolf zu sagen pflegt. Da muss man wohl einschreiten, wenn es denn wahr ist. Ist es wahr?«
    »Darauf sollt Ihr meinen heiligen Eid haben«, sagte Bruder Hermann feierlich. »Schon lange besteht das Ärgernis. Denn es ist bemerkenswert, dass der Meister des Öfteren mit der Begine – hatte ich schon erwähnt, dass sie Guta heißt, Schwester Guta? – auf gemeinsamer Wanderung war. Er hat sie, wie er beteuert, nach Koblenz begleitet, zu ihrer Base, ebenfalls eine Begine; man kennt sie auch hierzulande, denn sie hat Visionen, Mathilde ist ihr Name –«
    »Kommt auf den Punkt!«, forderte der Abt.
    »Also, das war das Gerede. Aber sie sind so sehr dem Fleische verfallen, dass sie es … Ich bitte Euch, es ist nicht für zarte Ohren bestimmt wie die Euren –«
    »Was meint Ihr, was ich in den Beichten zu hören bekomme?«, fragte der Abt.
    »Beichte, ja das ist es. Im Beichtstuhl habe ich sie erwischt, wie sie sich … wie sie … wie sie einander beigelegen haben. Das schwöre ich, so wahr mir Gott helfe.«
    Wilhelm schüttelte sich. Sollte das geschehen sein? Er hatte den Meister immer für den tugendhaftesten Menschen gehalten, der ihm je begegnet ist. Warum hatte Bruder Hermann es ihm bislang verschwiegen? Vielleicht hat er sich geschämt, dachte Wilhelm. Unkeuschheit mit einer Begine? Was für ein schrecklicher, unverzeihlicher Frevel! Auch wenn wir nicht besser sind und zu den Huren gehen … Wie konnte Bruder Hermann den Splitter im Auge von Meister Eckhart sehen, nicht jedoch den Balken im eigenen, wie es in der Schrift heißt? Wilhelm schaute beschämt zu Boden.
    »Ketzerische Thesen und Abirrung im Lebenswandel«, fasste Abt Hanß zusammen. »Das ergibt eine aussichtsreiche Grundlage für eine Anklage. Ich könnte unseren übereifrigen Bruder Dirolf beauftragen, die entsprechenden Stellen aus dem Werk dieses Eckharts für die Inquisition zusammenzutragen. Er wird das mit Freude besorgen. Sodann ist eine Begine verwickelt, was Euch, ehrwürdiger Vater und Herr Erzbischof Heinrich, vortrefflich in den Kram passen dürfte. Die Anklage der Unkeuschheit wird aus den Reihen der Prediger selbst geführt, nämlich diesem Bruder Hermann, damit ausgeschlossen wird, dass es sich um Missgunst handelt. Die Sache scheint demzufolge hieb- und stichfest zu sein, als sei sie dem Geist des Leibhaftigen entsprungen.«
    »Ihr braucht keine sündhaft hochmütige Rede zu führen, Abt Hanß. Denn nur um Euren eigenen armseligen Arsch zu retten, werdet Ihr uns willfahren und nicht etwa eingreifen auf Seiten der Beginen oder der Prediger«, drohte Erzbischof Heinrich.
    Bin ich denn umgeben von lauter unehrenhaften Leuten?, fragte sich Wilhelm betrübt. Dem Barfüßerabt geht es um das eigene Wohlergehen und das seiner Brüder, dem Erzbischof um die Einnahmen, und mein Freund will Abt werden und ist bereit, seinen Meister zu verraten. Mein Freund. Wilhelm kam sich verlassen und verloren vor. Auch ich werde mich entscheiden müssen, ob ich will oder nicht, stellte er mit Schrecken fest. Wenn ich mich überhaupt noch entscheiden kann und nicht schon viel zu sehr verstrickt bin …
    »Pah«, machte Abt Hanß. »Eingreifen auf Seiten der Prediger, das ist unsere Sache nicht. Eigentlich. Doch Ihr habt Recht, wenn es um das heilige Prinzip der evangelischen Armut in der Nachfolge unseres Herrn geht, müssen die Bettelorden zusammenstehen … müssten wir … wenn Ihr in Eurer großen Weisheit mir nicht ein so überaus verlockendes Angebot unterbreitet hättet, den einen Bettelorden anzugreifen, um den anderen zu verschonen.«
    »Eure Rede ist dunkel«, rügte der Erzbischof ungehalten. »In der Schrift lesen wir aber, Eure Rede sei Ja, Ja oder Nein, Nein und alles andere von Übel.«
    »Ja, ja«, bestätigte

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