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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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sie.
    »Bruder Dirolf hat mir nicht mehr gesagt«, erklärte Magistra Sela und ließ Kopf und Schultern hängen. »Ich habe auch nicht nachgefragt.«
    Demudis versuchte sich vor Augen zu führen, dass Schwester Guta nie wieder zu ihnen zurückkehren würde. Während der kurzen Zeit, die sie im Konvent lebte, war noch keine Schwester in das Brautgemach des unsterblichen Bräutigams abberufen worden. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Fast war es ihr so vorgekommen, als habe der Tod, der allerorten das Leben der Menschen beherrscht, hier keine Macht. Aber er hatte es doch! Zumal durch verruchte Hand …
    »Du hast sie als Letzte gesehen, und sie hatte wirre Andeutungen gemacht«, sagte Magistra Sela.
    »Ich habe alles berichtet, was ich von ihr vernommen habe«, beteuerte Demudis und erinnerte sich, welch beklemmendes Gefühl sie gleich beschlichen hatte, als Schwester Guta von der Wahrheit sprach, die sie allen sagen müsse. Was für ein Widersinn es wäre, wenn die Wahrheit zu so etwas Schlimmem wie Mord geführt haben sollte, dachte Demudis, ohne es zu sagen.
    Es entstand eine Pause.
    Dann sagte Magistra Sela wie in Gedanken: »Ich fürchte das Schlimmste … für Hechard. Man wird ihn als Mörder hinstellen wollen. Das würde es ihnen so einfach machen, ihn ein für alle Mal loszuwerden.«
    Demudis schlug die Hände vors Gesicht. Das war zu viel. Wollte die Magistra wahrhaftig andeuten, dass Hechard in Gefahr war, mehr als ohnehin schon?
    »Was sollen wir nur tun?« Es war keine wirkliche Frage. Demudis hatte das Gefühl, sowieso nichts ausrichten zu können. Das Schicksal würde über sie hinwegrollen.
    Anders Magistra Sela. Zu Demudis’ Erstaunen brachte sie kraftvoll einen Vorschlag heraus: »Du wirst Nachforschungen anstellen. Und, denke daran, du musst schneller sein als Bruder Dirolf.«
    »Bruder Dirolf?«, fragte Demudis stutzig.
    »Wenn er versucht, seine Anklage gegen Hechard vorzubringen«, erklärte Magistra Sela sorgenvoll.
    »Wie viel Zeit habe ich denn?«, erkundigte sich Demudis unsicher.
    Die Magistra machte eine hilflose Geste. »Das weiß der Himmel allein.«
    Benommen verließ Demudis die Küche. Sie war unschlüssig, wie sie nun an ihre Aufgabe herangehen sollte. Die Magistra hatte sie eindeutig gestellt. Doch wie konnte sie sie lösen?
    Sie nahm sich einen weiteren sandfarbenen Umhang wider die Kälte und trat hinaus auf die Stolkgasse. Der frostige Wind pfiff ihr um die Ohren. Es hatte erneut geschneit. Die Sonne senkte sich schon gen Abend.
    Demudis schritt den Weg über die Armenstraße ab, den sie hinter Schwester Guta hergelaufen war. Kinder mit blau gefrorenen Lippen, aber erhitzten roten Backen tollten ausgelassen im Schnee dort umher, wo Schwester Guta ausgeglitten war. Welche Richtung hatte sie danach eingeschlagen?, fragte sich Demudis. Ich hätte sie nicht gehen lassen dürfen! Aber das ist ein eitler Gedanke, denn was vergangen ist, kann man nicht ändern. Nicht einmal Gott könne das, wie Hechard einmal einen alten Magister, der wohl aus Aquin stammte, wiedergegeben hat.
    Wenn ich wüsste, an welcher Stelle ihre Leiche gefunden wurde … Ich habe die Magistra gar nicht danach gefragt, wie unachtsam das von mir war. Ihre Leiche … Demudis merkte, dass dies im Augenblick bloß ein Wort war. Sie hatte noch nicht von ihr Abschied genommen. Das musste jetzt warten. Sie erinnerte sich nur an die lebende Schwester Guta. Dass sie jetzt ein toter Körper sein sollte, bis der Herr sie erwecken würde, vermochte sie sich nicht einzugestehen.
    Wüsste ich also, an welcher Stelle ihre Leiche gelegen hat, würde ich schließen können, wie sie gegangen ist. Die Barfüßer, fiel Demudis ein, sie müssten die Stelle kennen. Besser ich frage dort nach als die Magistra, denn sie haben sie zuerst gefunden. Vielleicht bekomme ich noch mehr heraus, wenn ich mich an sie wende.
    Demudis fand von der Armenstraße aus einen Schlupf durch die alte Mauer. Eine Schneewehe hatte ein Hindernis zwischen den eng zusammenstehenden und an die Mauer gelehnten Häusern gebildet. Demudis musste mit dem Fuß gegen den Berg aus verharschtem Schnee treten. Es knarrte etwas, fast als würde Holz bersten. Ein Teil des weißen Berges kam ihr entgegen, drang unter ihre Haube, in ihren Kragen, in die Ärmel und die Schuhe ein. Sofort schmolz der Schnee durch die Körperwärme, und es wurde unangenehm feucht. Die äußeren Schichten der Feuchtigkeit begannen zu frieren. Demudis versuchte sich das Wasser aus dem Gesicht zu

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