Demudis
der Kanoniker atemlos.
Hanß lachte. »Da kennt ihr die Seele der Weiber schlecht, dass ihr eine solche Frage stellt! Sie hat Peter ob der Gewalt, die er mir angetan hat, verstoßen und mich mit großer Inbrunst gepflegt.«
»Aber du bist nun hier und nicht an ihrer Seite!«
»Während ich genas, sprach der Herr durch den Mund meiner Mutter, Uda mit Namen, zu mir, und ich bekehrte mich«, erklärte Hanß kurz. Er war müde und wollte nicht noch tiefer in die Erinnerung eindringen und vor allem nicht an die andere Sünde der Fleischlichkeit gemahnt werden, begangen mit der Mutter, nicht, wie in der Sage über König Ödipus, aus Unwissenheit, sondern im Angesicht der ganzen schrecklichen Wahrheit. Dabei hatte jener beide Augen verloren und er selbst nur eines. Wie gnädig vom Herrn! So wehrte er die weiteren Fragen der Kanoniker ab, die vor allem begehrten, mehr über die Schönheit der Magd zu erfahren. Schließlich ließen sie jedoch ab von ihm und stimmten zu, ihm seine verdiente Ruhe zu gestatten.
Die Kanoniker verfügten über keine Gästeherberge, aber sie wiesen ihnen eine schmale Schlafstelle im Dormitorium zu. Froh, die müden Beine betten zu können, verfiel Hanß sogleich in süße Träume.
*
Köln, Beginenkonvent der Bela Crieg,
am Abend des 5.2.1327
Im Konvent bereiteten sich die Schwestern auf die Nachtruhe vor. Demudis schloss sich ihnen an. Es gab keinen anderen Gesprächsgegenstand als den Tod von Schwester Guta. Die Schwestern waren unaufmerksam, liefen ziellos umher, seufzten und weinten, sobald sie auf eine der übrig gebliebenen Habseligkeiten der Gemeuchelten stießen.
»Es gibt so vieles, das wir von Schwester Guta nicht wussten«, berichtete Demudis betrübt. »An Maria Lichtmess etwa hatte sie sich mit einem von Graf Walram aus Katzenelnbogen geschickten Bauern bei Abt Norbert unterredet. Hatte eine von euch Kunde davon?«
»Nein«, sagte Schwester Sophia, und Demudis sah, dass sie für alle sprach. »Was kann das bedeuten? Ist der Bauer ihr Mörder?«
»Oder der Graf gar?«, fragte Schwester Dideradis. »Wie unausdenkbar!«
»Besser der als Hechard!«, warf Schwester Lora ein.
»So weit bin ich noch nicht«, gestand Demudis ein. »Es war ja am Tage nach Maria Lichtmess, dass Schwester Guta, aufgeschreckt über Magistra Selas Bericht einer Hetzrede von Bruder Hermann, aus dem Hause stürzte. Sie hatte gesagt, sie wolle die Nachstellungen unterbinden.«
»Wie hatte sie das erreichen wollen?«, fragte Magistra Sela in die Runde.
Demudis wusste es nicht.
Schwester Beatrix überlegte: »Vielleicht, weil ja sie das Ärgernis darstellte, hatte sie vor, Köln zu verlassen. Denn schließlich wurde sie als die Konkubine von Hechard benannt.«
»Ist das so abwegig?«, fragte Schwester Godelivis.
»Hechard ist zu alt«, stellte Schwester Angela fest.
War das ein Grund?, fragte sich Demudis. Schützte Alter vor der Lüsternheit? Sie zweifelte daran nach allem, was sie so gehört hatte. Sie selbst fühlte schon lange nichts mehr, aber das war etwas anderes. Daran wollte sie jetzt nicht denken.
»Immerhin ist es auffällig, dass Hechard Schwester Guta des Öfteren auf dem Weg zum Besuch ihrer Base Mathilde in Koblenz begleitete«, sagte Demudis, um sich von ihren Gedanken abzulenken. »Was auf dem Wege geschah oder bei Schwester Mathilde, die wohl auch eine Begine ist, das liegt für uns völlig im Dunkeln. Hechard hält nichts davon, den Körper zu züchtigen, sondern ihm zu geben, wonach er verlangt.«
»Was willst du damit sagen?« Magistra Sela baute sich vor Demudis auf, und Demudis erwartete jeden Augenblick eine schallende Ohrfeige. »Hast du dich mit diesem … diesem Bruder Hermann verbündet?«
Demudis blieb standhaft. Sie richtete sich gerade auf und schaute ihrer Magistra in die Augen. »Wenn ich herausbekommen soll, wer unsere Schwester gemeuchelt hat, muss ich alles denken dürfen, was zum Täter führen könnte.«
»So viel steht fest«, sagte Schwester Hardrun mit knarrender Stimme. »Hechard war es nicht. Er ist heilig.«
Demudis freute sich, dass Schwester Hardrun offensichtlich in Zeiten der Unbill fest zu ihnen stehen würde. Andererseits hatte sich Hechard schon verdächtig gemacht durch seine einsamen Wanderungen mit Guta. Es war eben nicht so einfach, dass wahr war, was wahr sein sollte. Aber sie sagte:
»Ich verdächtige Hechard nicht. Wer kann schon meinen, dass seine knorrigen alten Hände jemanden zu erwürgen vermögen?«
Magistra Sela ließ
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