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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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Schwester Angela.
    Unbeirrt fuhr Schwester Mentha fort: »Es war der Sommer im Jahre des Herrn 1272 … Nicht meine Halbschwester Eleonore, nein, sie blieb, natürlich, ganz die Dame und Prinzessin. Trotz der Schwäche unseres Geschlechts kämpften wir mit der Härte, die jedem Ritter zur Ehre gereicht hätte. So manche von uns ließ ihr Leben auf dem Schlachtfeld; andere wurden von den Sarazenen gefangen genommen und später als Sklavinnen verkauft.«
    »Wie schrecklich!«, rief Schwester Jutta. »Ein furchtbarer Gedanke!«
    Schwester Mentha schaute sie abschätzig an, sagte aber nichts dazu, sondern erzählte weiter: »Ich bemerkte, wie einer der wild gewordenen Assassinen auf Prinz Eduard losgeht, Eleonores Gatten. In der Hand hielt er, ihr werdet es nicht glauben: ein vergiftetes Messer. Ich stürzte mich auf ihn und spaltete ihm den Schädel, dass das graue Hirn ihm herauslieft wie aus einem kaputten Krug. Aber der Teufel hatte den Prinzen bereits verletzt. Wir trugen ihn vom Schlachtfeld, und um zu verhindern, dass er stirbt, saugte ich an seiner Wunde, sofort, dann während sie ihn trugen, und schließlich ohne Unterlass den ganzen Tag, als er im Zelte lag …«
    »Und hat er es überlebt?«, fragte Schwester Angela atemlos.
    »Er ist gestorben«, vermutete Schwester Hardrun, »weil sie zu heftig an ihm gesaugt hat. Sonst wäre der kleine Kratzer wohl rasch abgeheilt.«
    »Er hat überlebt«, trompetete Schwester Mentha mit so stolzgeschwellter Brust, wie es ihr in ihrem Alter noch möglich war. »Dank meines Einsatzes. Und den haben sowohl er als auch Eleonore mir stets vergolten.«
    »Wie alt warst du?«, fragte Demudis und schwang ihre Beine über den Bettrand.
    »So an die vierzehn Lenze zählte ich vermutlich«, antwortete Schwester Mentha und schürzte ihre alten rissigen Lippen wie eine junge Magd.
    »Dir hat der Herr ein großartiges Leben geschenkt, Schwester Mentha«, sagte Demudis. Sie bewunderte Schwester Mentha. Kurz nach Beendigung des Kreuzzuges hatte sie geheiratet, Guillelmus von Toulouse. Die Geschichte ihres Lebens erzählte sie den Schwestern oft und gern und jedes Mal mit neuen Ausschmückungen. Von ihren neun Kindern waren drei noch am Leben, ein viertes, die Tochter Makrina, hatte immerhin lange genug gelebt, um Schwester Mentha einige Enkelkinder zu schenken, bevor sie von jenem Schreckenswinter im Jahre des Herrn 1316 dahingerafft wurde. Nachdem Schwester Menthas Gatte zum Herrn abberufen worden war, hatte sie Bruder Anselm kennen gelernt, einen jungen Hitzkopf, der mit seinen Brüdern und Schwestern des freien Geistes durch die Lande streifte und das Königreich Gottes predigte. Im Jahre des Herrn 1325 hatte der Erzbischof von Köln viele von ihnen, derer er habhaft werden konnte, niedermetzeln lassen, aber Schwester Mentha war ihm entwischt …
    »Wo ist eigentlich Schwester Guta?«, hörte Demudis Schwester Godelivis fragen. Sie will es nicht wahrhaben!, dachte Demudis.
    »Tot … gemeuchelt«, schluchzte Schwester Lora.
    Aus den süßen Träumen erwacht und im Jammertale hienieden angekommen, ging es Demudis durch den Kopf, und sie überlegte, was nun als Nächstes zu tun sei. Als Erstes mit Bruder Einhard sprechen, denn er hatte nach Mitteilung von Bruder Hinkmar am Tag nach Maria Lichtmess die Torwache innege habt. Er musste wissen, ob Schwester Guta an diesem Tage nochmals im Kloster gewesen war. Demudis erschien es wichtig herauszufinden, wer Schwester Guta zuletzt lebend gesehen hatte. Was war zwischen ihrem Weglaufen aus dem Konvent und ihrem Tod geschehen? Sodann musste sie Hechard und Bruder Hermann befragen. Hechard war eine leichte Sache, aber wie konnte sie es fertig bringen, Bruder Hermann zum Reden zu bringen und offen ihr gegenüber zu sein, obgleich er doch gegen die Beginen hetzte? Wie war es überhaupt möglich, dass er mit Hechard unter einem Dach lebte und sich als »Bruder« ansprechen ließ? Das würde ich nicht aushalten!, dachte Demudis. Aber na ja, wir haben auch unsere Schwester Hardrun. Immerhin hat sie gestern gezeigt, dass sie sehr wohl weiß, was die Treue von ihr verlangt, ganz anders als es sich offenbar bei Bruder Hermann verhält.
     
    *
     
    Köln, Predigerkloster, am Vormittag des 6.2.1327
     
    Zwischen der Prim und der Terz ging Demudis hinüber zum Predigerkloster und verlangte, Bruder Einhard zu sprechen.
    Bruder Einhard war ein ernster alter Mann, zu dem Demudis sofort Vertrauen fasste.
    »Ich sprach gestern mit Bruder Hinkmar darüber, wann

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