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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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ihr unserer … verstorbenen Schwester Guta hier zuletzt ansichtig geworden seid. Er hielt die Wache an Maria Lichtmess, sagte aber, du, Bruder Einhard, seiest am Tag nach Maria Lichtmess am Tor gewesen.«
    »Schwester Guta«, sagte Bruder Einhard und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Es ist ein Jammer um sie. Wir haben gestern Abend alle für sie gebetet. Sie hat es bitter nötig, denn sie ist, nach allem, was man so hört, eine große Sünderin gewesen.«
    Demudis sah ein, dass sie sich in Bruder Einhard getäuscht hatte. Sie musste sich zusammenreißen und ganz gegen ihren inneren Antrieb Zurückhaltung üben. »Sieh es mal so an, Bruder Einhard. Wir müssen herausfinden, wer die Sünde begangen hat, ihr das Leben zu nehmen, was nämlich nur Gott gebührt.«
    »Wie wollt ihr das anstellen?«, fragte Bruder Einhard milde. »Es muss heimlich und bei Nacht geschehen sein, weil niemand es gesehen hat. Solche Mörder findet man nicht, sie werden erst am Jüngsten Gericht ihrer gerechten Strafe zugeführt.«
    »Es gibt Gerüchte, schlimme Gerüchte. Gerüchte, die die Predigerbrüder betreffen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie aus der Welt geschafft werden.«
    Bruder Einhard nickte fast unmerklich.
    »Wie ist es, hast du sie am Tage nach Maria Lichtmess gesehen? Ist sie am Tor gewesen?« Demudis fühlte, dass sie drauf und dran war, aus der Haut zu fahren.
    »Schwer zu sagen. Ein Tag ist wie der andere«, sagte Bruder Einhard und wiegte den Kopf.
    »Hat sie nicht nach Hechard gefragt, um zu beich ten?«, versuchte Demudis, ihm auf die Sprünge zu helfen.
    Mit einem Mal hellte sich das Gesicht des Alten auf. »Warte, Schwester Demudis, warte. Mir kommt da etwas in Erinnerung, weil es wahrhaftig absonderlich ist. Sie wollte bei Bruder Hermann beichten.«
    »Bei Bruder Hermann?«, vergewisserte sich Demudis ungläubig.
    »Ja, bei Bruder Hermann«, bestätigte Bruder Einhard. »Wo er sie doch so in den Schmutz gezogen hat und den Meister. Darum habe ich es im Herzen bewahrt.« Er legte seine Hände auf die rechte Brust.
    Es kam auf die Zeit an, so hakte Demudis nach: »Und es war am Tage nach Maria Lichtmess?«
    »Bestimmt.« Bruder Einhard bewegte den Kopf schnell von unten nach oben und zurück.
    Demudis wurde lauter: »Wann?«
    Bruder Einhard schaute sich fragend um, als ob er rechts oder links von ihr die Antwort fände. »Mittag?«, fragte er unsicher, verzog den Mund und kniff ein Auge zu.
    »Ich weiß es nicht, du musst es wissen!«, rief Demudis und konnte ihre Ungeduld kaum bezähmen.
    »Schwer zu sagen. Um die Sext, meine ich.«
    Schwester Guta hatte demnach bei Bruder Hermann gebeichtet, nachdem sie ihr entwischt war. Demudis musste mit ihm so dringend reden wie mit Hechard. Aber Bruder Hermann war nach Mitteilung von Bruder Einhard am gestrigen Tage aufgebrochen, und es sei ihm nicht bekannt, wann er zurückerwartet werde. Es war ja auch zu vermuten gewesen, dass sich Bruder Hermann unterwegs befand, denn er wollte ja, sofern die Barfüßer die Wahrheit gesprochen hatten, die Familie von Schwester Guta aufsuchen. Je nachdem, wo diese sich aufhielt, brauchte das seine Zeit. So ersuchte sie, sich mit Hechard unterreden zu dürfen.
    »Der Meister hat es heute erfahren«, sagte Bruder Einhard unvermittelt. »In drei Tagen muss er vor dem Gericht der Inquisition beim Erzbischof erscheinen.«
    Damit kann ich mich nicht auch noch befassen, dachte Demudis, das muss ich zurückstellen, sonst ertrage ich es nicht.
    »Bitte«, drängte sie, »ich muss ihn gleichwohl sprechen.«
    Bruder Einhard sagte zu, ihn zu holen, aber Demudis bemerkte, dass seine Hilfsbereitschaft durchaus zwiegespalten war. Die Brüder sind unsicher, dachte Demudis, welche Partei obsiegen wird, und wollen nicht zur falschen Seite gehören. Das Lumpenpack.
    Hechard und sie trafen sich in dem kleinen Empfangszimmer der Gästeherberge, die für die Zusammenkünfte zwischen den Brüdern und außenstehenden Besuchern vorgesehen war, wenn nicht der Abt seine Stube zur Verfügung stellte. Demudis wollte den Abt aber nicht darum bitten, diese benutzen zu dürfen, denn sie wusste nicht, wie sehr sie sich noch auf ihn verlassen konnte, nachdem sie Bruder Einhards Abneigung zu spüren bekommen hatte. Das Empfangszimmer der Gästeherberge war allerdings, wie Demudis feststellen musste, viel kälter als die Stube des Abtes.
    »Ehrenwerter Vater«, sagte Demudis und fiel zu Hechards Füßen. Sie ergriff seine knochige Hand und küsste sie.

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