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Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
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es genannt hatte, mitgesponnen! Es war gut, dass Bruder Hermann Beweise bringen wollte. Denn die Mitbrüder waren, Gott sei’s geklagt, immer noch begaukelt. Es stand gar zu befürchten, dass der zauderhafte Abt Norbert sich entscheiden könnte, sich schließlich doch rückhaltlos auf die Seite des Meisters zu stellen und Bruder Hermann und ihm Ausgangsverbot aufzuerlegen.
    Wilhelm hatte andererseits auch Mitleid mit dem Meister. Der Vorwurf gegen ihn war zu ungeheuerlich. Wilhelm glaubte nicht, dass Bruder Hermann ihn bezüglich der Unkeuschheit angelogen haben würde. Allerdings war Unkeuschheit keine Sünde, die nicht verziehen werden konnte. Wilhelm fühlte sich unwohl in seiner Haut, denn er war ja zugegen gewesen, als der ehrwürdige Vater und Herr Erzbischof Heinrich zusammen mit dem Barfüßerabt Hanß sich verschworen hatte. Sie führten nichts Vornehmes im Schilde, das bestimmt nicht. Wenn dagegen dem Meister eine Bluttat nachgewiesen werden könnte … Meuchelei war unverzeihlich. Das stand außer Frage. Bruder Hermann hatte ihm berichtet, dass er eine Unterredung des Meisters mit einem Buben von einem geheimen Versteck aus habe mit anhören können, wie sie sich zum Mord verabredet hätten. Alles bitten von Wilhelm hatte aber nichts gefruchtet, Bruder Hermann war nicht deutlicher geworden. Warum hatte er alles nur so unscharf angedeutet und Wilhelm keinen reinen Wein eingeschenkt?
    Ein Magister hatte in einer Disputation einmal die Bemerkung fallen gelassen, die Wahrheit benötige Gewalt so wenig wie Heimlichtuerei, denn sie stünde für sich und habe die Kraft, sich gegen die Lüge durchzusetzen. Das konnte nicht anders sein. Da Gott die Wahrheit ist, würde es, wenn man Lüge für stärker als die Wahrheit ansieht, heißen, dass man den Teufel für stärker als Gott hält, was denkunmöglich ist, da der Teufel von Gott geschaffen wurde und das Geschaffene nie größer und stärker sein kann als der Schöpfer.
    Ein schwankender Geist bemächtigte sich Wilhelm. Ach, lieber Bruder Hermann, betete er, bitte bleibe nicht zu lange fort und stehe mir bei in diesen bösen Zeiten.
    Bruder Einhard stieß ihn an der Schulter. Wilhelm zuckte zusammen. »Jemand wartet auf dich, Bruder. Im Gästehaus. Eile.«
     
    *
     
    Auf dem Weg nach Mainz, am 6.2.1327
     
    Der letzte Tag der Wanderung sollte kaum weniger hart werden, der Weg war eher noch weiter als kürzer. Aber alle Qualen wollte Hanß auf sich nehmen, um nur nicht in Köln verweilen zu müssen. Kaum waren sie von St. Goar aufgebrochen, erreichten sie die Rheinbiegung, die den breiten Fluss eng zusammenzwingt und an dessen Scheitelpunkt der hohe Felsen herausragt, der Loreley genannt wird. Hanß vergaß sich und stieß ausgelassen gellende Laute aus, um das berühmte Echo zu hören, nach welchem der Felsen seinen Namen hat. Bruder Dudo tat es ihm nach und beide freuten sich wie die Kinder.
    »›Ley‹ nennen die Leute hier den Felsen, und ›Lore‹ ist das Rufen. Die Leute sagen«, wusste Bruder Dudo, »dass es die Hanselmänner, die Zwerge sind, die in dem Felsen wohnen und jeden Laut, den sie vernehmen, sogleich wiederholen.«
    Hanß lachte. Es ist so viel angenehmer, sich nachsichtig an dem zu freuen, was die Leute sagen, anstatt den Aberglauben zu bekämpfen, dachte er. Wenn Gottes Natur sich einen Spaß mit uns erlaubt, erlauben wir uns auch einen Spaß mit unseren Vorstellungen.
    Etwas später verflog seine Fröhlichkeit wieder. Das Gehen im Schnee wurde mühsamer, und Hanß spürte bereits Erschöpfung, obwohl es noch lange vor Mittag war. Zudem ragte mitten im zugefrorenen Rhein wie ein schreckliches Schlachtschiff Burg Pfalzgrafenstein auf, an der trotz der Eiseskälte eifrig gebaut wurde. Der Heilige Vater in Avignon hatte König Ludwig den Bayern scharf zurechtgewiesen, als er vernahm, dass dieser zur Unterstützung von Burg Gutenfels diesen Turm errichten ließ, denn er sollte zu nichts anderem dienen, als die verfluchten Steuern und Zölle noch härter eintreiben zu können. Aber überall schien das Weltliche über das Geistliche zu siegen, stellte Hanß betrübt fest, als er hoch oben den gemauerten und überdachten Wehrgang erblickte, an den nunmehr letzte Hand angelegt wurde.
    Stunde um Stunde kämpften sich Hanß und Bruder Dudo weiter, bis sie zum nicht weniger schrecklichen Mäuseturm gelangten an der Stelle, wo sich der Rhein an der Nahe-Mündung gen Osten wendet. Der Turm diente ebenso wie die Burg Ehrenfels zur Beherbergung der

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