Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Demudis

Demudis

Titel: Demudis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Blankertz
Vom Netzwerk:
7.2.1327
     
    Bei Koblenz gab es einen Zwischenfall.
    Man hielt, wie es dieser Tage üblich war, den Markt auf dem Eis des Rheins. Von Graf Walram hatte Martin ein paar Pfennige für die Wegzehrung bekommen. Martin sah, wie entkräftet Anna war. Sie musste nicht weniger Hunger haben als er. Als er den Stand des Bäckers sah, der himmlisch duftendes Brot feilbot, entschloss er sich, eines zu erstehen. Froh riss er ein Stück ab und reichte es Anna, die es gierig verschlang. Dann genehmigte er sich selbst, von dem Brot zu essen. Dabei wurde ein riesiges Loch im Inneren des Laibes sichtbar. Zornig zeigte er es dem Bäcker.
    »Du hast mich betrogen, du Bube!«, fauchte er.
    Der Bäcker hob die Hände. »Betrogen? Ich? Niemals! Ich bin ein ehrlicher Handwerksmann.«
    Er wollte es wohl auf die leichte Schulter nehmen, aber das ließ Martin nicht mit sich machen. Er schrie: »Sieh her, wo du hineingekrochen bist. Das schuldest du mir!«
    »He, he«, sagte ein Umherstehender. »Was ist denn hier los?«
    »Schaut her, ihr Leute!«, rief Martin anklagend und zeigte sein Brot mit dem Loch. »Das habe ich soeben gekauft und, Gott sei Dank, schon gebrochen, damit sogleich der Lug und Trug offenkundig wurde.«
    »Die Bäcker betrügen allenthalben«, schallte es von einer anderen Seite.
    »Niemandem kann man mehr trauen dieser Tage.«
    »Ich hatte auch so ein Brot, gestern!«
    »Gebt ihm den Strick!«
    »Seid doch froh, dass es überhaupt Brot gibt, ihr Narren!«
    »Wenn die Bäcker fleißiger wären, gäbe es genug Brot!«
    Im Nu war ein Handgemenge von schreienden und schlagenden Menschen entstanden.
    Martin zeigte auf die Brote des Bäckers, die noch auslagen. »Du schuldest mir ein weiteres Stück. Gib es mir sofort!«
    Statt ein Brot zu bekommen, flog Martin eine Faust ins Gesicht.
    »Haltet ein«, sagte die Frau, die am Nebentisch Körbe verkaufte. Sie hatte eine kraftvolle Stimme, nicht laut, aber gehorsamheischend. »Fremder, was hast du zu beklagen?«
    Martin führte den Schlag, zu dem er schon angesetzt hatte, nicht aus. »Gutes Weib, hier ist das Brot, das ich gekauft habe. Sieh her! Es ist ganz hohl in der Mitte.«
    »Das Brot wird nach Gewicht verkauft, nicht nach Größe«, belehrte das Weib ihn.
    »Wenn nur Luft drinnen ist, wiegt es auch nichts!«, beharrte Martin gereizt. Er war ja kein Tor und ließ sich übers Ohr hauen.
    »Wie wahr«, bestätigte das Weib. »So muss es gewogen werden, und wenn es zu wenig wiegt, muss der Bäcker dir den Teil ersetzen, und ansonsten wirst du dich entschuldigen, Fremder.«
    »Es kann nicht mehr gewogen werden, Druda«, sagte der Bäcker. »Er hat die Hälfte schon verfressen.«
    »Hm«, machte das Weib, das der Bäcker mit Druda angesprochen hatte. »Wärst du bereit, deine anderen Brote wiegen zu lassen, hier vor uns als Zeugen? Wenn sie alle das rechte Maß haben, wollen wir annehmen, dass es sich auch bei dem an den Fremden verkauften so verhält. Ansonsten schuldest du nicht nur ihm das fehlende Gewicht.«
    »Dann gnade dir Gott«, rief einer, der auch vorher mitkrakeelt hatte. »Denn wir werden es nicht tun!«
    »Einverstanden«, sagte der Bäcker.
    Martin sah, dass die Hand des Bäckers zitterte. Er frohlockte, dass es nun möglich sein werde, den Betrüger zu überführen, und das ließ ihn den Schmerz vergessen, der von seinem Auge ausging, auf dem die Faust gelandet war.
    Es wurde eine Waage herbeigeschafft, und es zeigte sich zu Martins Verdruss, dass ein Brot nach dem anderen das besagte Maß besaß. Kleinlaut entschuldigte er sich bei dem Bäcker und trollte sich mit Anna von dannen.
    »Ich bin froh, wenn wir wieder zu Hause sind«, sagte Anna und strich Martin sanft über das blaue Auge, »wo wir wissen, wie gebacken wird. Komm, lass uns den Rest vom Brot essen und guter Dinge sein.« Wie hätte sie auch vorausahnen können, was sie Schlimmes in Katzenelnbogen erwartete.

 
Von der Würde des Leidens
     
    Die tönende Minne ist noch gemengt mit Traurigkeit.
    Mechthild von Magdeburg
     
    Auf dem Weg nach Koblenz, am 8.2.1327
     
    Die Magistra hatte ihr verboten, sogleich am gestrigen Tage, dem der heiligen Ava, aufzubrechen, denn es war die Beisetzung von Schwester Guta angesetzt. Alles Drängen von Demudis half nichts, sie hatte voller Ungeduld ausharren müssen. Demudis hatte angeführt, dass in drei Tagen vor dem Gericht der Inquisition die Anklage gegen Meister Eckhart eröffnet werden würde. Da wäre es doch hilfreich, wenn sie zumindest beweisen könnte, dass

Weitere Kostenlose Bücher