Demudis
vielleicht schon daheim angekommen.
Martin wollte lieber an die bevorstehende Hochzeit denken als an seine tote Mutter. Wie war das doch schön gewesen, als im vergangenen Herbst Peter, der Sohn seines Genossen Rudolf, die Katrin geheiratet hatte. Die Schenke war viel zu klein gewesen, und so war aus Brettern ein riesiger Tisch vor ihr errichtet worden. Der Vater von Peter hatte mehrere seiner kostbaren Schweine geschlachtet und unerschöpfliche Mengen Wein herbeigeschafft. Martin war sehr neidisch darauf gewesen, dass Rudolf einen Sohn hatte und dieser jetzt schon heiratete, während er selbst nur die Heimlichkeit suchen durfte. So viel wie auf der Hochzeit hatten er und Anna im Leben nicht gefressen und gesoffen. Zu vorgerückter Stunde war sogar Graf Walram mit Gefolge erschienen, um dem jungen Paar Glück zu wünschen. Er hatte als Geschenk einen Beutel mit Münzen überreicht und außerdem einen seiner Sänger von der Burg mitgebracht, der in schönen Liedern die Herrlichkeit der Frauen besang. Als sich das Dunkel über das Dorf senkte, wurden Fackeln entzündet, die die Nacht zum Tag machten. Und während die Tänze immer wilder und ausgelassener wurden, forderte die Familie von Katrin Peter heraus, seine Manneskraft unter Beweis zu stellen. Vor Martins innerem Auge erschien das Bild, wie Katrin sich ins Gras legte und ihren Rock lüftete. So machte Peter die Magd zum Weib. Hernach nahm Graf Walram, der sie unter vielen Hoch-Rufen zu Eheleuten erklärte, ihren Treueid entgegen und gelobte ihnen, ihrer zukünftigen Familie und ihrem Hause seinen ewigen Schutz.
Mitten in seine Gedanken fragte Anna: »Wie war sie, deine … Mutter?«
Er hatte es ihr in der kurzen Zeit schon so viele Male erzählt und sich immer wieder die Bilder durch den Kopf gehen lassen, aber wenn man so wenige Erinnerungen hatte, musste man sich an sie klammern. »Du weißt, wie der Graf mit uns nach Riehl ritt, um mich dem Herrn Adolf vorzustellen, dessen Sohn ich bin. Was für ein Ritt! Die edlen Tiere. Es ging so schnell, so sicher war ihr Tritt im Schnee, die kahlen Bäume flogen an uns vorbei.«
»Martin!«, tadelte Anna. »Es steht uns nicht zu.«
»Ich weiß«, seufzte er. »Noch rechtzeitig erreichten wir Riehl am Tage der heiligen Martina. Ein so feiner Herr war er, mein Vater! Aber seine bösen Leute wollten mir nicht geben, was mir zusteht, nachdem er zum Herrn abberufen wurde. Mit dem Empfehlungsschreiben des Grafen begab ich mich also in das Predigerkloster zu Köln, wo mir der bezeichnete Bruder ein Treffen mit ihr bereitete.«
»Wie war sie?«, wiederholte Anna ihre Frage.
»Ein weißes ebenmäßiges Gesicht«, antwortete Martin verträumt, »umkränzt von güldenem Haar, das wie Seide schimmerte. Ich habe nie eine andere Frau erblickt, die schöner war als sie, so schön wie eine Königin.« Martin überlegte, dass das, was er gesagt hatte, Anna kränken könnte, und fügte hinzu: »Bis auf dich, liebe Anna, natürlich.«
»Ich bin weiß Gott kein schönes Weib«, sagte Anna ernst. »Aber ich werde dir eine tüchtige Gemahlin abgeben.«
»Wie gerne hätte ich dir –«, begann Martin.
Aber Anna unterbrach ihn schnell: »Schweig doch still und sei’s zufrieden, wie es der Herr für uns vorgesehen hat.«
Nach einer Weile sagte Anna: »Sie hat dich nicht verraten, deine Mutter. Behalte das im Sinn. Es war gut, dass wir in Riehl verweilt haben, bis uns die Begine ihren Tod kundgetan hat.«
Es waren schreckliche Tage in Riehl gewesen. Frau Engelradis von Berg, die Witwe, ein geldgieriger Drache sonder Gleichen. Nicht besser Herr Bruno von Riehl, sein Bruder, und Frau Christine von Neuss, dessen Gattin. Martin schauderte. Der Herr hatte es schon gut gefügt, dass er dort nicht sein weiteres Leben verbringen musste. Abergunst regierte das Haus. Jedes Wort war wie eine böse Waffe, die kaum geringere Verletzungen verursachte als das Schwert. Hatte sie ihn nicht »Fahr in die Kuh« genannt, um solcher Art ihre Verachtung für die Bauern auszudrücken und anzudeuten, dass diese mit dem Vieh rippelten? Anna war durch Frau Engelradis, als sie herzhaft bei der Speise zugelangt hatte, als »Frau Leer-den-Topf« gescholten worden. Sogar Graf Walram hatte über diesen derben Spott genüsslich gelacht. Aber nachdem er abgereist war, kannte Frau Engelradis keine Zurückhaltung mehr und sprach von ihnen nur noch als »Herr und Frau Raffezahn«, was so viel hieß, als dass sie sie mit Teufeln gleichsetzte.
»Wer um alles in der Welt
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