Demudis
hat wohl deine Mutter gemeuchelt?«, hörte Martin Anna überlegen.
Er wusste es so wenig wie sie. Martin befiel aber der unangenehme Gedanke, dass noch nicht alles ausgestanden war.
Kurz hinter der Godesburg fanden sie eine freundliche Bauernfamilie, die sie im Stall schlafen ließ. Ihre Füße waren wund und ihre Körper starr vor Kälte. Eng umschlungen schliefen sie ein.
*
Köln, Ellikints Hurenhaus, am Abend des 6.2.1327
Ellikint räumte ihre Wirtsstube auf, nachdem die letzten Gäste das Haus verlassen hatten. Sie hatte Gepa und Junta erlaubt, schon zu Bett zu gehen. Sie wollte ein wenig allein sein. Jeder Tag, den sie erwachte, war ein Geschenk. Und sie vermochte es, das Glücksgefühl bis zum Abend zu bewahren. Ellikint deckte Wein und Bier ab und kehrte sorgsam den Boden.
Gott hatte den Engel in Gestalt des einäugigen Barfüßers Hanß gesandt in jenen argen Tagen, als der Erzbischof Heinrich unter den Brüdern und Schwestern des freien Geistes wütete wie einst Herodes unter den Juden. Ellikint trug nur eine Sorge mit sich herum, wie sie es ihm je würde vergelten können, denn er hatte alles abgelehnt, was sie anzubieten hatte. Ganz anders als dieser Teufel von den Predigern. Ellikint war froh, dass die Barfüßer sich Hanß zum Abt gemacht hatten. Eine bessere Wahl hätten sie nicht treffen können.
Schwester Mentha und sie wären jetzt tot wie Bruder Anselm, wenn sie nicht fort gewesen wären. Ja, es war die Beerdigung ih rer Patentante gewesen, derentwegen sie nach Königsdorf gegangen waren. Als sie wiederkamen und in die Casiusgasse neben dem Neumarkt einbiegen wollten, fing dieser Bruder Hanß, nunmehr Abt der Barfüßer, sie ab, bei dem Schwester Mentha manches Mal gebeichtet hatte. Heute beichtete sie bei Abt Hanß, Schwester Mentha dagegen ging zu den Predigern, wie die anderen Beginen. Der Ratschluss des Herrn ist wahrlich unerforschlich, dachte Ellikint. Hanß, damals noch einfacher Bruder, hatte berichtet, dass die Büttel von Erzbischof Heinrich, diesem Teufel, alle festnehmen würden, die im Hause von Anselm sich befänden. Schwester Mentha wollte in die Casiusgasse stürzen und erhaschte noch einen letzten Blick von Anselm, aber Bruder Hanß hielt ihr den Mund zu. Er geleitete sie ins Barfüßerkloster und brachte sie in der Gästeherberge unter. Dort waren sie sicher, denn weder Erzbischof noch Schöffen noch Gewaltrichter hatten Zutritt, wenn es der Abt nicht erlaubte. Und der damalige Abt der Barfüßer war alt, fast so alt wie der Erzbischof selbst, aber ein frommer Mann, der seinem Bruder Hanß sehr zugetan war.
Einem jungen Barfüßer hatte sie eine Kutte abgeschwatzt, indem sie ihm schöne Augen und einige Hoffnungen gemacht hatte, allerdings ohne sie späterhin einzulösen. In der Dämmerung war sie als Mönch verkleidet in das Haus der Brüder und Schwestern des freien Geistes zurückgekehrt. Es waren wahrhaftig alle weg, bis sie in einer Truhe den zitternden Bonzino entdeckte, steife Glieder, halb tot vor Angst, von der Enge und der stickigen Luft in der Truhe. Sie wollte ihm die braune Kutte überstreifen und ihn ins Kloster der Barfüßer bringen, aber er verabscheute diese und verlangte stattdessen, dass sie einem gewissen Bruder Hermann von den Predigern Bescheid geben solle. Sie hatte keine Zeit, sich zu erkundigen, wie er jenen kennen gelernt hatte und warum er so überaus vertrauenswürdig war, tat vielmehr, worum Bonzino gebeten hatte.
Ein gewisser Bruder Hermann. Ellikint lachte bitter. Dieser hatte Bonzino zwar gerettet, aber er ließ es sich von ihr zurückzahlen. Wohin Bruder Hermann Bonzino wohl gebracht hatte? Ellikint hatte nie wieder von ihm gehört. Was würde geschehen, wenn sie den Preis nicht mehr zahlte? Oder gar den Spieß herumdrehte und Bruder Hermann anklagte. Ach nein!, ging es Ellikint durch den Kopf, das wäre keine genüssliche Vorstellung; eine Hure, eine ehemalige Schwester des freien Geistes gar, die sich anheischig machte, einen gut beleumundeten Prediger der Sünde zu zeihen. Und wenn schon, die Sünde wäre ja die Rettung von einem der Ihren, also würde sie sich selbst widersprechen.
Anders als Schwester Mentha Anselm hatte Ellikint Bonzino nicht geliebt, auch wenn er dies Bruder Hermann wohl so weisgemacht hatte. Oder hatte Bruder Hermann es sich nur ausgedacht, um sie besser erpressen zu können? Andererseits könnte es schon sein, überlegte Ellikint, dass Bonzino, der schüchterne kleine Junge, noch kaum fähig zu einem
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