Demudis
Ehren immer mit Freuden bleiben.‹ Denn der Herr war der Braut an diesen Ort des Grauens in den tiefsten Tiefen gefolgt, da er ihr Treue geschworen hatte. Doch da musste ich wohl kundtun: ›Geh weg von mir, lieber Herr, und lass mich noch tiefer sinken, dir zum Glorienscheinen. So aber geriet die unwürdige Seele in so große Finsternis, dass sie die traute Zweisamkeit mit Gott verliert, seines Lichtes und seiner Wahrheit verlustig geht. In dieser Pein und diesem Schmerze aber erhöhe ich meinen Gemahl, Jesus Christus, auf ewig zu den höchsten Höhen seines jauchzenden Seins.«
Der Schreiber und Abt Hanß warteten, auch Demudis verhielt sich still, bis die Leere unerträglich wurde.
»Das ist das Ende«, sagte die Begine. »Traurig, aber doch über alle Maßen herrlich.«
Abt Hanß sagte zu Demudis: »Schwester, dies ist das größte Geheimnis, durch das Gott sich offenbart.«
»Ich bin Schwester Demudis«, sagte sie zu allen dreien, um einen Anfang zu machen.
»Verzeiht, Schwester«, sagte die Begine, erhob sich und kam Demudis entgegen. Sie nahm sie in den Arm und küsste sie. »Schwester Mathilde bin ich. Schwester Demudis? Die aus Köln, wo auch Schwester Guta, meine Base …?«
»Genau die«, bekräftigte Demudis.
»Das ist Bruder Liutprand«, erklärte Schwester Mathilde, »mein Beichtvater, der meinte, meine unwürdigen Träume seien ein wichtiges Zeugnis des Glaubens.«
»Dessen bin ich mehr denn je sicher«, bestätigte Bruder Liutprand.
»Und das ist Bruder Hanß von Mondorf, aus Köln, glaube ich, vielleicht kennt ihr euch.«
»Wir haben uns gesehen«, sagte Demudis abschätzig. Bruder?, dachte Demudis. Er hat sich hier wohl nicht als Abt zu erkennen gegeben, sehr merkwürdig. Ich muss vorsichtig sein.
»Ich habe meine Sünden gebeichtet, Schwester Demudis«, sagte Abt Hanß. »Du kannst mir vertrauen.«
»Was führt Euch her?« Demudis war nicht überzeugt.
Abt Hanß verneigte sich vor ihr. »Ich vernehme dein Misstrauen, und ich verzeihe es dir, weil ich weiß, dass ich es selbst gesät habe.«
Die Freundlichkeit des Abtes verstimmte Demudis noch mehr, als es Feindseligkeit getan hätte. Sie wollte einfach, dass er wegginge. Man erzählte sich, dass er, bevor er sich zu den Barfüßern bekannt hatte, in Schande mit seiner eigenen Mutter verkehrt habe und sich dann aber, als er versuchte, eine Magd zu freien, mit einem Nebenbuhler einen Kampf auf Leben und Tod geliefert habe, in welchem er sein eines Auge lassen musste, der andere hingegen sein Leben. Manche behaupteten dagegen, dass es sich anders zugetragen hätte. Es fiel ihr schwer, angesichts derartiger Verbrechen dem Gebot des Herrn, alle Sünden zu verzeihen, Folge zu leisten. Sie konnte sich nicht helfen, der Kerl war und blieb ihr unheimlich.
»Hm«, machte Demudis, weil sie nicht recht wusste, wie es nun mit dem Gespräch weitergehen sollte. Es war nicht gut, diesen zwielichtigen Zeugen dabeizuhaben.
»Verspürst du Hunger?«, fragte Schwester Mathilde. »Nach dem langen Weg!«
»O ja«, sagte Demudis aus tiefstem Herzen. Das Brot, das sie bei den Andernacher Barfüßern bekommen hatte, hatte nicht lange vorgehalten.
»Wir haben nicht viel«, entschuldigte sich Schwester Mathilde, »bloß noch etwas Fladen und dicken Graupenbrei, zumindest aber eine winzige Menge Schmalz. Doch wir teilen es gern.«
Bei Tisch stellte Demudis entsetzt fest, dass Abt Hanß von einem Bruder, Dudo mit Namen, begleitet wurde, sodass es noch einen weiteren Zeugen geben würde, obwohl dieser, wie sie vernahm, nicht viel sprach. Sie wusste allerdings, dass es Menschen gab, die, obwohl sie sich fast stumm verhielten, dennoch große und offene Ohren hatten.
»Wie steht es in Köln?«, fragte Abt Hanß sie leutselig. Demudis bemerkte ein leichtes Beben in seiner Stimme. Sie konnte daraus auf seine Furcht schließen, aber nicht, ob er darum bangte, die Anklage gegen Hechard möge Erfolg haben oder abgewiesen werden.
»Die Barfüßer machen gemeinsame Sache mit einem Nestbeschmutzer aus unseren eigenen Reihen und erheben Anklage gegen einen Prediger und gegen uns Beginen«, schmatzte Demudis offen gehässig und führte einen weiteren Löffel Brei zum Mund und pustete der großen Hitze wegen auf ihn.
Schlagartig veränderte sich die Stimmung. Bruder Liutprand warf anklagende Blicke auf die beiden Barfüßer. Es war, als zuckten Blitze durch den Raum. Stummer Donner grollte über die Köpfe hinweg. Schwester Mathilde und die anderen Schwestern wichen
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