Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
Vom Netzwerk:
er Bruder Isaiahs Fahrer und Leibwächter gewesen. Er war ein ehemaliger Navy SEAL, Angehöriger
     einer Spezialeinheit der Marine, was erklärte, warum er für sein Alter so fantastisch in Form gewesen war. Er hätte auch mit
     einem zehn Jahre Jüngeren leicht fertig werden können. Aber nicht sein Körperbau fiel einem als Erstes ins Auge. Die Leiche
     wies drei Messerwunden auf, alle im Kopf- und Halsbereich. Ich war froh, dass ich sie persönlich sah. Der Bericht des Coroners
     erläuterte zwar, wo sich die Wunden befanden, doch nicht, warum sie ungewöhnlich waren.
    Die erste Verletzung war eine Stichwunde direkt in die linke Schläfe. Die zweite war ein langer, vertikaler Schnitt in der
     Mitte des Gesichts. Die dritte befand sich unmittelbar oberhalb des Schlüsselbeins. Dem Coroner zufolge hatte der Schnitt
     die Arteria thyroidea inferior durchtrennt. Die Todesursache war entweder ein Gehirntrauma oder Verbluten. Der Bericht stellte
     die Hypothese auf, dass die Wunden von einem Messer stammten, das eine dünne Klinge und eine extrem scharfe Schneide besaß,
     was etwa die Hälfte aller scharfen Gegenstände in der Metropole beschrieb.
    »Haben Sie schon einmal so etwas gesehen?«, fragte Krein, der mir über die Schulter blickte.
    Das verbesserte meine Stimmung nicht. »Genau so nicht.«
    »Ich hoffe, Sie und Mr White fassen den Verrückten, der das gemacht hat.«
    »Wer immer diesen Mann getötet hat, ist alles Mögliche, aber gewiss nicht verrückt.« Ich hatte den zweifelhaften Vorteil,
     in meinem Leben eine ganze Reihe von Messerwunden gesehen zu haben. Etwa zwei Jahre zuvor war aus einem meiner Fremdgeh-Fälle
     eine Mordgeschichte geworden. Beider Geliebten war die Sicherung durchgebrannt, und sie hatte ihren verheirateten Liebhaber mit einem teuren japanischen Küchenmesser
     angegriffen. Ich hatte ihr Liebesnest beobachtet und versucht, etwas für die Anwälte in die Hand zu bekommen. In der Zeit,
     die ich brauchte, um die Straße zu überqueren, hatte sie dreißig Mal auf ihn eingestochen. Das war das Werk einer Verrückten:
     wilde, unkontrollierte Einstiche am ganzen Körper.
    Die Wunden hier waren zwar scheußlich, aber sie waren präzise. Man brauchte eine überraschende Kraft, um in einen menschlichen
     Körper hineinzustechen oder zu -schneiden, und wichtiger noch, man musste die Nerven bewahren, um das Messer sicher zu führen.
     Jede dieser Wunden war so sauber wie der Schnitt eines Chirurgen; das deutete auf einen eisernen Willen oder das vollständige
     Fehlen eines Gewissens hin. Der Mörder wusste, wo er zustechen musste und dass er danach nur noch warten musste, dass sein
     Opfer verblutete. Hätte er die Arterie nur zufällig getroffen, hätte er sicherheitshalber noch ein viertes Mal ausgeholt.
     Der zweite Stich war oberflächlich, nur eine Anmerkung zwischen dem ersten und dem dritten. Aus der Sicht des Profis war er
     praktisch eine künstlerische Verzierung.
    »Haben Sie seine Kleider noch?«, fragte ich.
    Krein brachte mir eine versiegelte Plastiktüte. Darin lagen ein grauer, blutbesudelter Anzug, staubbedeckte Schuhe und ein
     leeres Lederhalfter, das Krenz unter der linken Achsel getragen haben musste.
    »Hatte er eine Waffe, als man ihn hergebracht hat?«
    Krein schüttelte den Kopf.
    Die ganze Sache war seltsam. Ich schaute mir den Bericht über den Wagen an, aber das war reine Zeitverschwendung. Er wies
     keinerlei Spuren auf. Krenz’ Halswunde hätte die Ledersitze versaut, wenn er im Wagen getötet worden wäre,aber der Innenraum war sauberer als der Mann, den man auf dem Fahrersitz zurückgelassen hatte. Wie Bruder Isaiah war auch
     diese Leiche am Fundort nur entsorgt worden. Alles sprach dafür, dass Krenz bei der Ausübung seiner beruflichen Pflichten
     getötet worden war, aber das erklärte nicht, warum ein Ex-SEAL im entscheidenden Moment nicht die Waffe gezogen, sondern seinen
     Gegner so nahe an sich hatte herankommen lassen, dass dieser ihn erstechen konnte.
    Ich hatte Krenz’ Leiche alles an Information entnommen, was möglich war, und so klopfte ich nun auf den Busch. »Mr White wollte,
     dass ich mir noch eine andere Leiche anschaue«, sagte ich.
    In Kreins Augen flackerte Panik auf. »Eine andere Leiche?«
    »Einen alten Mann, man hat mir den Namen nicht genannt.« Kreins Gesicht zeigte deutlich, dass mein Bluff sinnlos war. Er wusste
     nicht, wovon ich sprach, und es machte ihm Angst. Krein kam mir wie ein anständiger Mensch vor. Ich fragte mich, was

Weitere Kostenlose Bücher