Den Jakobsweg erfahren
„nearly
finished“ und lässt sich nicht davon abbringen, sofort mit uns dort hin zu
fahren. Auf einem für ihn viel zu kleinen Mountainbike fährt er mit uns zum
Gemeindehaus. Unterwegs erklärt er uns, wie wir morgen von da wieder auf den
Jakobsweg kommen und dass wir die Tür einfach hinter uns ins Schloss fallen
lassen sollen, aber erst, wenn wir sicher sind, dass wir all unser Hab und Gut
nach draußen gebracht haben. Wir zahlen 12 € pro Bett und 6 € für den
„Beischläfer“. Das ist klasse. Es gibt sogar eine warme Dusche und einen
separaten Toilettenraum. Jean bittet uns noch darum, etwas in das Gästebuch zu
schreiben, wenn wir mögen und verabschiedet er sich mit einem „Buen Camino!“
Dann werden unsere Drahtesel von
ihrer Last befreit und nacheinander geht’s ab unter die Dusche. Unter dem
Vordach spannen wir die Wäscheleine und stellen eine Bierzeltganitur (Tisch mit
2 Bänken auf).
Ich rufe kurz zu Hause bei Marion
an. Die gratuliert mir. Meine Kollegin Jutta hat sich bei ihr gemeldet und
erzählt, dass ich befördert werden soll. Mich lässt das eher kalt. Das Leben
ist auch ohne Beförderung schön.
Es hat eine Zeit gegeben, in der
wir finanziell echte Sorgen hatten: Damals war meine Tochter Dana im Studium
und bekam nur sehr sehr wenig Bafög. Für unseren Sohn Julian, der noch in der
Ausbildung war, bekamen wir gerade kein Kindergeld mehr. Er wohnte aber
weiter bei uns. Dann kam zu diesen Umständen noch ein Bandscheibenvorfall bei
meiner Marion hinzu. Sie war bis dahin geringfügig beschäftigt und hatte nach
dreimonatiger Lohnfortzahlung keinerlei Ansprüche mehr. In dieser Zeit hatte
ich immer gehofft, dass durch die, aus meiner Sichtweise längst fällige,
Beförderung die „Not“ endlich ein Ende hat. Ich wurde aber immer wieder
enttäuscht. So sind wir zwar mit eng geschnürten Gürteln, aber aufrecht, von
Monat zu Monat durch diesen Lebensabschnitt gegangen. Das sind keine schönen
Erfahrungen, aber man lernt fürs Leben.
Als wir alle mit unseren
Erledigungen durch sind, setzen wir uns bei Käse, Brot und Wein zusammen. Es
ist mittlerweile dunkel aber dennoch angenehm warm. Eine Kerze, die wir
gefunden haben, sorgt für gemütliche Atmosphäre.
Heute, da sind wir uns einig,
hätten wir stranden können, wenn wir nicht derartig viel Glück gehabt hätten.
Der Wein schlägt gut an. Siggi beklagt sich über meine üblen Scherze. Er hält
mir vor, dass ich im ETAP – Hotel, das renoviert wurde und wo wir zu dritt das
Doppelzimmer bekamen, zu ihm gesagt hätte, dass er ohne Gefühl in drei Fingern
auch auf der Behindertentoilette schlafen könnte. Zur Verrichtung seiner
Notdurft war ihm die jedenfalls gut genug. Weiter konnte er sich auch noch
daran erinnern, dass ich ihm angeboten hatte, seine lädierte Hand mit
Panzerband am Lenker zu fixieren, da er berichtete, bei den Abfahrten den
Lenker kaum noch halten zu können. Da sieht man mal, wie es einem ergeht, wenn
man sich Sorgen um seine Mitpilger macht. Undankbarkeit, pure Undankbarkeit!
Mir laufen vor Lachen die Tränen herunter. Ich kläre ihn aber auf, dass alles,
was sich gern hat, sich nun mal neckt. Dann ist alles wieder gut.
So, liebes Tagebuch, nun geht es
aber ab ins Körbchen. Im Dunkeln hört man noch ein „gute Nacht John Boy!“ -
„Gute Nacht Mary – Ann!“ und dann ist Ruhe.
149,6 gefahrene km, gesamt 1619,4
km
7:56 gefahrene Zeit, gesamt 93:31
Std.
19,1 km/h
Durchschnittsgeschwindigkeit
53,8 max. Geschwindigkeit
04.05.2012
Freitag
Tag 14
Labourheyre (F) – Dax (F)
Um 07:00 Uhr beginnt der Tag für
uns. Natürlich wollen wir das Gemeindehaus sauber und ordentlich hinterlassen.
Nebenbei gilt es besonders darauf zu achten, dass uns die Außentür nicht
unbedacht ins Schloss fällt. So dauert es schon einige Zeit, bis alles wieder
an seinem Ort ist. Jean hat uns gesagt, dass wir uns gerne einen Tee machen
können. In einer kleinen Schatulle auf einer Kommode sind einige Teebeutel
vorhanden. Dort liegen auch noch einige andere nützliche Sachen liebevoll
platziert herum. Die lassen wir aber unberührt.
Mit dem dort vorhandenen
Wasserkocher machen wir uns etwas Wasser heiß. Siggi hat noch 2 abgepackte
Zwiebäcke aus dem ETAP – Hotel, die er fein säuberlich zu drei gleiche Teile
zerschneidet. Er lässt, ganz der feine Kumpel, die anderen zuerst wählen und
nimmt was übrig bleibt. Das ist heute zumindest das erste Frühstück.
Wir wollen noch etwas in das
Gästebuch schreiben. Da sich aber
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