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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalena Koester
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eine überzählige Trauerhalle in ein großes Café umwandeln. Protest kam vom jungen Niels Quistorff, dem zuständigen CDU -Ortschef. »Es wäre geschmacklos, direkt neben den Gräbern unter freiem Himmel Kaffee und Kuchen zu servieren«, schmetterte er den Antrag 2002 ab. »Immer werden wir aufgefordert, serviceorientierter und kostenbewusster zu arbeiten, doch wenn wir etwas anbieten wollen, werden wir gestoppt«, stellt Carstens dazu bitter fest. Ein Café gibt es bis jetzt nicht.
    »Unsere Arbeit hat sich deutlich verändert« Ludwig Koch, Grabmacher, Moosburg
    Was im Norden Deutschlands der Totengräber, ist im Süden der Grabmacher. Für beide stimmt, dass es im wahrsten Sinne des Wortes ein Knochenjob ist. Was wohl nicht stimmt, ist unsere landläufige Vorstellung von einem Totengräber.
    Ludwig Koch beispielsweise ist ein gutaussehender Mann Mitte fünfzig mit strahlend blauen Augen unter dem modi-schen schwarzen Hut. Eigentlich wollte er nach dem Abitur Sozialpädagoge werden, brach das Studium aber ab, als er Vater wurde und schnell Geld verdienen musste. Und dafür hat er nicht den schlechtesten Job gewählt. Viele Grabmacher arbeiten im Akkord und Koch hat auf dem Münchner Nordfriedhof schon vor zwanzig Jahren 5000 DM und mehr im Monat verdient, genug, um der Familie ein Haus zu bauen und ein ordentliches Auto zu fahren. Das hieß allerdings, täglich draußen in Moosburg um 4 Uhr aufstehen, um 5 Uhr zum Dienst antreten und lange Jahre auch samstags und sonntags zu arbeiten, solange die Gräber noch mit der Hand auf 1,80 Meter Tiefe ausgehoben werden mussten. Inzwischen hat sich diese Arbeit deutlich verändert. »Seit den neunziger Jahren machen wir das nicht mehr per Hand, sondern mit einem ganz schmalen Bagger, was zwischen den engen Grabstellen häufig einer Sisyphusarbeit gleichkommt. Da geht es manchmal um ein, zwei Zentimeter und es dauert lange, bis ein Neuer alle Kniffe kennt.« Es kommt durchaus vor, dass einer mitsamt dem Bagger in die halb ausgehobene Grabstelle stürzt.
    Da heute meist nur noch ein Fähnchen an das auszuhebende Grab gesteckt wird, ist es auch schon vorgekommen, dass Koch das Loch an einer falschen Stelle ausgehoben hat. Ein Besucher wollte offenbar einen Witz machen und hatte die Fahne umgesteckt. »Das Ganze fiel erst nach der Beerdigung auf. Wir mussten den Sarg wieder ausgraben und umbetten.«
    Das war unmittelbar nach der Beerdigung einfach. Schwieri-ger sind dagegen Umbettungen nach vielen Jahren. Angehörige aus anderen Städten oder Ländern stellen mitunter den An-trag, einen schon länger Beigesetzten in ihre Heimat zu überführen, weil er im Familiengrab oder einfach in ihrer Nähe be-erdigt werden soll. »Mit den Urnen ist das kein Problem, aber wenn der Leichnam vor längerem beerdigt wurde, kann das je nach dem Zeitraum der Verwesung fürchterlich sein. Wir machen diese Exhumierungen deshalb auch nur im Winter und um 6 Uhr morgens.« Grabmacher müssen dann Mundschutz tragen und werden jedes Jahr gesundheitlich durchgecheckt.
    Selbst nach voll abgelaufenen Ruhezeiten ist nicht jedes Grab im gleichen Zustand. Der Grad der Verwesung ist von vielen Faktoren abhängig. Auf dem Münchner Nordfriedhof etwa beträgt die Ruhefrist nur zehn Jahre, weil der kieshaltige Boden sehr luftdurchlässig ist. Schon auf der anderen Seite der Isar herrscht ein lehmiger Boden vor, der bei Regen verklebt und 25 -jährige Ruhefristen erforderlich macht.
    Ludwig Koch erzählt bei unserem Gespräch auch von seinen privaten Erfahrungen mit dem Tod. Er hat vor Jahren seinen eigenen Sohn durch einen Unfall verloren. »Er war 16 Jahre alt und wollte einen Hund aus dem Wasser retten. Dabei ist er ertrunken.« Damals hat Koch die Macht der katholischen Kirche auf dem Land kennengelernt. »Mein Sohn war nicht ge-tauft, aber meine Schwiegermutter hat sich so sehr den Segen der Kirche gewünscht, dass uns der alte Pfarrer gern begleitet hat. Als der Hauptpfarrer von Moosburg am nächsten Tag ein Foto der Beerdigung in der Zeitung sah, auf dem dieser Pfarrer mit Stola und Kreuz zu sehen war, verbot er ihm mit Unterstützung seiner Vorgesetzten in München jegliche Amtsaus-übung und den weiteren Zutritt zur Friedhofskapelle.« Die zweite Auseinandersetzung entstand durch den Wunsch der Familie, ihrem Jungen einen Stein mit einem Kapitell in Form der Akropolis aufs Grab setzen zu lassen. »Der Plan dafür wurde abgelehnt. Da musste ich dann zum Kirchenamt gehen, so lange, bis die nachgegeben

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