Den Löwen Zum Frass
Platz. Die hellenistischen Götter können weniger fern wirken als ihre römischen Entsprechungen.
»Werden Sie mir also helfen, Falco?«, fragte Scilla.
»Wobei?«
»Ich will, dass Saturninus und Calliopus für den Tod von Pomponius zur Rechenschaft gezogen werden.«
Ich schwieg. Helena bemerkte: »Das dürfte nicht leicht sein. Dazu müssten Sie doch sicherlich beweisen, dass die beiden im Voraus wussten, was an jenem Abend passieren würde?«
»Diese Männer sind Experten für wilde Tiere«, erwiderte Scilla wegwerfend. »Saturninus hätte nie eine Privatvorführung organisieren dürfen. Eine wilde
Bestie in häuslicher Umgebung freizulassen war reinste Dummheit. Und Calliopus muss gewusst haben, dass er durch den Austausch der Löwen Pom- ponius zum Tode verurteilte.«
Als Senatorentochter schlug Helena Justina die gesellschaftlich anerkannte Lösung vor: »Sie und die Familie des Exprätors sollten am besten einen Zivilprozess anstrengen. Vielleicht brauchen Sie einen guten Anwalt.«
Scilla schüttelte ungeduldig den Kopf. »Schadenersatz ist nicht genug. Und das ist auch nicht der Punkt!« Es gelang ihr, ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen, dann folgte etwas, das wie eine eingeübte Rede klang. »Pomponius war gut zu mir. Ich kann ihn nicht dem Tod überlassen, ohne mich für ihn einzusetzen. Viele Männer haben Interesse an einem Mädchen, dem ein Ruf vorauseilt - aber Sie können sich denken, wie dieses Interesse geartet ist. Pompo- nius war bereit, mich zu heiraten. Er war ein anständiger Mann.«
»Dann verzeihen Sie mir«, sagte Helena sanft. »Ich verstehe Ihre Wut, aber andere könnten denken, Sie würden nur aus niedrigen Motiven handeln. Bedeutet sein Tod, dass Sie zum Beispiel die Hoffnung auf sein Vermögen verloren haben?«
Scilla schaute hochmütig und fuhr wieder wie jemand fort, der viel Zeit damit verbracht hat, über seinen Groll nachzudenken, und die Rechtfertigung seiner Wut eingeübt hat: »Er war schon vorher verheiratet gewesen, und seine Kinder sind seine
Haupterben. Was ich verloren habe, ist die Chance, einen Mann mit Status zu heiraten. Abgesehen von meiner großen Trauer, ist das eine Enttäuschung für meine Familie. Ein Exprätor ist eine gute Partie für die Tochter eines Ritters. Es war großzügig von ihm, mir die Ehe anzubieten, und ich hege deshalb große Hochachtung für ihn.«
»Sie müssen um ihn trauern - doch Sie sind noch jung.« Scilla war meiner Schätzung nach vielleicht fünfundzwanzig oder so. »Lassen Sie sich davon nicht den Rest Ihres Lebens zunichte machen«, warnte Helena.
»Aber«, entgegnete Scilla trocken, »ich muss die zusätzliche Bürde tragen, den Mann, den ich heiraten wollte, unter skandalösen Umständen verloren zu haben. Wer wird mich jetzt noch wollen?«
»Ja, ich verstehe.« Helena betrachtete sie nachdenklich. »Was soll Falco also für Sie tun?«
»Mir helfen, diese Männer zu zwingen, ihr Verbrechen einzugestehen.«
»Was haben Sie bisher in dieser Hinsicht unternommen?«, fragte ich.
»Die Verantwortlichen sind aus Rom geflohen. Nachdem Pomponius starb, war es an mir, die Sache in die Hand zu nehmen. Er hatte so lange gelitten, dass seine Familie nichts mehr damit zu tun haben wollte. Ich habe zuerst bei den Vigiles vorgesprochen. Sie wirkten mitfühlend.«
»Den Vigiles wird ihre freundliche Haltung gegenüber ungestümen Mädchen nachgesagt!« Einige
Vigiles, die ich kannte, verspeisten ungestüme Mädchen zum Nachtisch.
Scilla nahm den Witz tapfer hin, indem sie ihn ignorierte. »Leider fiel der Fall, nachdem die Verdächtigen Rom verlassen hatten, nicht mehr unter die Jurisdiktion der Vigiles. Darum richtete ich ein Bittgesuch an den Kaiser.«
»Hat er Ihnen seine Hilfe verweigert?« Helena klang sehr entrüstet.
»Nicht ganz. Meine Brüder traten natürlich als meine Fürsprecher auf, obwohl ich weiß, wie peinlich den beiden die Situation ist. Trotzdem trugen sie meinen Fall gut vor, und der Kaiser hörte ihnen bis zum Ende zu. Der Tod eines Mannes von so hohem Rang muss ernst genommen werden. Aber Vespasian vertrat die Ansicht, dass Pomponius selbst Schuld hatte, weil er eine Privatvorführung veranlasst hatte.«
Helena sah sie mitfühlend an. »Vespasian muss darauf achten, Klatsch zu vermeiden.«
»Genau. Da die beiden Männer geflohen sind, blieb alles in der Schwebe, weil man hofft, das öffentliche Interesse würde abflauen. Der Kaiser wollte nur zusagen, mein Gesuch erneut zu prüfen, falls Saturninus
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