Den Löwen Zum Frass
sehr zivilisierte Art die Möglichkeit überließ, eine Ehefrau, eine Prostituierte oder einen glupschäugigen kleinen Masseur aus den Badehäusern mitzubringen.
Für einen staatlichen Revisor war es eine Torheit, sich mit dem Objekt seiner laufenden Untersuchung zu verbrüdern. Natürlich nahm ich die Einladung an.
Pomponius Urtica lebte auf dem Pincius. Seine Villa lag hoch oben östlich der Via Flaminia, weit hinter dem Mausoleum des Augustus. Netter Bezirk. Von patrizischer Großzügigkeit, mit Panoramablick, nur unterbrochen von hohen, alten Pinien, in denen Tauben gurrten. Herrliche Sonnenuntergänge über dem Tiber. Meilen vom Lärm des Forums entfernt. Saubere Luft, friedvolle Atmosphäre, fantastische Villen, angenehme Nachbarschaft. Wunderbar geeignet für die fesche Elite, die diesen schönen Bezirk geerbt hatte - und furchtbar beschwerlich für den Rest von uns, wenn wir zu Besuch kamen.
Urtica selbst hatte es leicht. Wenn er in offiziellen Angelegenheiten in die Stadt musste, wurde er von gleich großen, gutmütigen Sklaven mit sicherem Schritt in einer geräumigen Sänfte getragen. Er brauchte sich nie die Stiefel im Staub und Eselsdreck schmutzig zu machen, und er konnte die Stunde, die er pro Strecke benötigte, mit leichter Lektüre bequem in die Seidenkissen zurückgelehnt verbringen. Vielleicht hatte er sogar eine Taschenflasche und ein Paket süßes
Brot dabei. Für zusätzliche Unterhaltung nahm er zweifellos von Zeit zu Zeit eine kokette Flötenspielerin mit großen Busen mit.
Ich ging zu Fuß. Ich besaß nichts und hatte niemanden, der mich trug. Der Winter hatte den Straßenstaub in Schlamm verwandelt, und der Eselsdreck hatte sich damit vermischt und schwamm in Klumpen darin herum wie schlecht durchgerührte Polenta in einer Caupona, die die Vigiles in Kürze schließen würden.
Ich fand die feudale Hütte des Prätors. Das dauerte eine Weile, weil all die schicken Villen auf dem Pincius ziemlich gleich aussahen und an sehr langen Zugangswegen lagen. Bei Urtica wurde mir vom Pförtner mitgeteilt, sein Herr sei nicht zu Hause. Das überraschte mich nicht. Der Sklave sagte es nicht, obwohl ich messerscharf schloss, dass er mich, selbst wenn sein Herr zu Hause weilte (was durchaus möglich war), nicht eingelassen hätte. Meine scharfe Ermittlerintuition sagte mir, dass der Befehl ergangen war, jeden müden Knallkopp, der sich als Didius Falco ausgab, abzuweisen. Ich machte keinen Aufstand bei der eleganten Villa, wies mein offizielles Palastdokument nicht vor. Es war ein langer Tag gewesen. Ich ersparte mir die Peinlichkeit.
Ich trabte den ganzen Weg in die Stadt zurück, kaufte mir einen heißen Pfannkuchen und einen Becher Würzwein, aber an diesem kühlen Winternachmittag war es schwer, Gesellschaft zu finden. All die koketten Flötenspielerinnen schienen heute ihre Tantchen in Ostia zu besuchen.
Na gut, zurück zur Realität. Ich ging in die Bäder, wärmte mich auf, wurde von meinem Trainer beleidigt, traf einen Freund und nahm ihn zum Essen mit heim. Man weiß ja, wie das ist, wenn man in eine neue Wohnung gezogen ist und einen wichtigen Gast zu sich nach Hause einlädt. Besitzt man keinen Sklaven, den man vorausschicken kann, kommt man an, tut zuvorkommend und hofft, dass man von keiner häuslichen Peinlichkeit überrascht wird. An diesem Abend brachte ich einen Senator mit, was nicht oft passierte, muss ich dazusagen. Natürlich fanden wir etwas besonders Peinliches vor, als wir eintraten: Meine Frau, wie ich mich jetzt zwang, sie zu nennen, strich eine Tür.
»Hallo!«, rief der Senator. »Was ist denn hier los, Falco?«
»Helena Justina, Tochter des illustren Camillus, streicht eine Tür«, erwiderte ich höflich.
Er warf mir einen schrägen Blick zu. »Weil ihr euch keinen Maler leisten könnt?«, fragte er be-
sorgt. »Oder weil sie es gerne tut?« Das schien ihm noch schlimmer vorzukommen.
»Sie tut es gern«, gab ich zu. Helena strich weiter, als wären wir nicht da.
»Warum lässt du das zu, Falco?«
»Senator, ich habe noch nicht rausgefunden, wie man Helena von etwas abhält, was sie gerne tut. Außerdem«, fügte ich hinzu, »macht sie es viel besser als ein Profianstreicher.«
Aus genau diesem Grund hatte sie nicht mit uns gesprochen. Helena strich Türen mit großer Konzentration. Sie saß im Schneidersitz auf dem Boden, hatte ein Pfännchen mit einer übel aussehenden roten Flüssigkeit neben sich stehen und trug die Farbe in entspannten, gleichmäßigen
Weitere Kostenlose Bücher