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Den Löwen Zum Frass

Den Löwen Zum Frass

Titel: Den Löwen Zum Frass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Pinselstrichen auf. Eine meiner großen Freuden im Leben war, ihr dabei zuzuschauen. Das erklärte ich dem Senator, und als ich ihm einen Hocker holte, tat er dasselbe.
    »Sehen Sie«, murmelte ich, »sie fängt von unten an. Die meisten Maler fangen oben an; kaum sind sie eine halbe Stunde weg, läuft die überschüssige Farbe nach unten und verdickt sich zu klebrigen Tropfen am unteren Rand. Die werden dann hart, bevor man es bemerkt, und man wird sie nie wieder los. Bei Helena Justina passiert das nicht.«
    Ich hätte es zwar nicht so gemacht, doch Helenas Methode war effektiv, und der Senator sah beeindruckt aus. »Aber was sagt deine Familie dazu, Fal- co?«
    »Oh, die ist natürlich entsetzt. Helena ist ein anständiges Mädchen aus einer sehr guten Familie. Meine Mutter ist besonders schockiert. Sie findet, Helena habe schon genug gelitten, weil sie mit mir zusammenlebt.« Helena, die sich gerade hingekniet hatte, da sie jetzt weiter oben angelangt war, hielt kurz inne, drehte den Kopf und sah mich nachdenklich an. »Ich erlaube ihr, den Leuten zu erzählen, dass ich sie dazu zwinge.«
    »Und was sagst du, Falco?«
    »Ich schieb es auf die Leute, die sie großgezogen haben.«
    Helena sagte endlich auch etwas. »Hallo, Vater.«
    Sie schniefte, weil ihr die Bleidämpfe der Farbe in die Nase stiegen. Ich zwinkerte ihr zu, da ich wusste, dass sie beim Malen normalerweise die Nase am Ärmel abwischte.
    Der Senator Camillus Verus, ihr Vater, mein Essensgast, bot höflich an: »Ich kann für einen Maler bezahlen, Marcus, wenn du knapp bei Kasse bist.«
    Das überließ ich meiner Frau. Ich bin ein guter Römer. Tja, zumindest weiß ich, was gut für mich ist.
    »Spar dein Geld, lieber Papa.« Helena hatte die Höhe des Türgriffs erreicht, den ich vorher für sie entfernt hatte. Also stand sie auf, um an die obere Hälfte der Tür zu kommen. Camillus und ich schoben unsere Hocker etwas zurück, damit sie mehr Platz hatte. »Danke«, sagte sie.
    »Sie macht das wirklich gut«, meinte ihr Vater zu mir. Es schien ihm schwer zu fallen, direkt mit seiner zielstrebigen Tochter zu sprechen.
    »Ich hab ihr das beigebracht«, erwiderte ich. Er warf mir einen Blick zu.
    »Wozu ich ihn natürlich gezwungen habe«, fügte Helena hinzu. Jetzt sah er sie an. Während ich es für höflich befunden hatte, mich eher zurückhaltend zu geben, fuhr sie fort, ohne ihren Vater zu beachten: »Was gibt es für unseren Gast zu essen, Marcus?«
    Ihr Vater warf mir rundheraus vor: »Wirst du sie jetzt auch noch zwingen, das Essen zuzubereiten?«
    »Nein«, sagte ich sehr sanft. »Ich bin hier der Koch.«
    Helena war bis zur Oberkante der Tür gelangt, trat zurück und ließ sich herab, ihren Vater zu küssen, wenn auch etwas abwesend, weil sie ihr Werk auf Staubfusseln überprüfte. Das Licht war zu schlecht. Der Dezember ist der falsche Monate für solche Arbeiten, aber man muss sie einfach machen, wenn einen die Stimmung dazu überkommt. Stirnrunzelnd fuhr sie mit dem Pinsel über ein paar winzige Bläschen am oberen Türrand. Ich lächelte. Einen Augenblick später lächelte auch ihr Vater. Sie drehte sich um, sah uns an, wie wir da lächelnd auf unseren Hockern saßen, weil wir uns freuten, sie glücklich zu sehen. Misstrauisch schenkte uns Helena plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit, herausfordernd zurücklächelnd.
    »Sie hasst es, den Pinsel zu reinigen«, sagte ich zu ihrem edlen Papa. »Ich auch.« Trotzdem nahm ich ihr den Pinsel ab und küsste ihre Hand (wich aber den Farbflecken aus). »Saubermachen ist eine der kleinen Aufgaben, die ich für sie übernehme.« Ich sah ihr in die Augen. »Im Ausgleich für die Großzügigkeit, die sie mir gegenüber zeigt.«
    Es wäre unziemlich gewesen, hinzuzufügen, dass ich bei solchen Gelegenheiten, wenn ihr Vater nicht da war, es genoss, meine Reinigungsdienste auch auf die Malerin auszuweiten. Helenas einziger Fehler war, das sie sich beim Anstreichen überall mit Farbe bekleckerte.
    Zum Glück ließ sich der Senator leicht ablenken. Wir schickten ihn zum Spielen mit seiner Enkeltochter ins andere Zimmer und widmeten uns der Reinigungsprozedur.
    Später, als alle gesättigt waren, gestand uns unser illustrer Gast, warum er meine Einladung in unsere winzige Wohnung so bereitwillig angenommen hatte, obgleich er doch sehr viel besser in der Bequemlichkeit seines eigenen Hauses hätte speisen können. Wir waren schon längere Zeit nicht mehr vom Aventin zu der etwas heruntergekommenen

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