Den Löwen Zum Frass
beobachtete. Sie schienen ein umgängliches Paar zu sein, aber wie viele Ehefrauen betrachtete sie ihren Partner durch einen leicht amüsierten Schleier, als könnte er sie nicht zum Narren halten. Ich dachte auch, das die sanften Augen irreführend sein könnten.
Ihr Mann zuckte mit den Schultern. Wenn er in der
Arena gekämpft hatte, war er es gewohnt, Herausforderungen anzunehmen. Er schien Helena auch nicht für allzu leicht beeindruckbar zu halten, und vielleicht reizte ihn das Risiko, zu viel preiszugeben. »Ich verließ meine Heimatstadt mit der Behauptung, in Rom jemand Wichtiges zu werden.«
»Und dann waren Sie zu stolz, zurückzukehren, bevor Sie sich einen Namen gemacht hatten?« Helena und er waren wie alte Freunde, die gemeinsam über die Fehler des anderen lachten. Saturninus gab vor, aufrichtig zu sein; Helena gab vor, ihm zu glauben.
»Rom war zunächst ein Schock für mich«, gestand Saturninus. »Ich besaß Geld und Bildung. In der Beziehung unterschied ich mich nicht von den jungen Männern meines Alters aus den alteingesessenen Senatorenfamilien. Aber ich kam aus der Provinz und war daher vom politischen Leben auf höherer Ebene ausgeschlossen. Ich hätte mich als Kaufmann betätigen können, Import und Export, doch das war nicht mein Stil. Dann hätte ich auch gleich in Leptis bleiben können. Die andere Alternative war, einer dieser trübseligen Dichter zu werden, wie die Spanier, die bei Hof um Vergünstigungen betteln ...« Euphrasia schnaubte bei dem Gedanken. Helena lächelte. Saturninus erwiderte das Lächeln. »Und dauernd sah ich Bier saufende Lümmel aus gallischen Stämmen, die mit vollen Ehren zum Senat zugelassen wurden, während Tripolitaniern diese Auszeichnung nicht zukam.«
»Das wird sie«, versicherte ich ihm. Vespasian war früher Statthalter von Afrika gewesen. Er würde das Senatorenrecht ausweiten, sobald er daran dachte. Frühere Kaiser hatten das für die Provinzen getan, die sie gut kannten (daher die langbärtigen, von Saturninus so verabscheuten gallischen Senatoren, die diese Ehre dem verrückten Claudius verdankten). Sollte Vespasian noch nicht auf die Idee gekommen sein, was für Afrika zu tun, konnte ich ihn sogar mit einem Bericht dazu anstoßen. Alles, um für die Regierung hilfreich zu wirken. Und Vespasi- an würde es gefallen, weil es nichts kostete.
»Zu spät für mich!« Saturninus hatte Recht. Er war zu alt und hatte einen zu abstoßenden Beruf.
»Also haben Sie beschlossen, sich gegen das System aufzulehnen?«, fragte Helena leise.
»Ich war jung und hitzköpfig. Natürlich war ich jemand, der die Welt auf die Schwerstmögliche Weise auf die Hörner nehmen musste.«
»Sie wurden Gladiator.«
»Und ein guter«, prahlte er freundlich.
»Stimmt es, dass Freiwillige einen besseren Status haben?«
»Man muss trotzdem seine Kämpfe gewinnen. Sonst hat man nur den Status einer Leiche, die aus der Arena geschleift wird.«
Helena sah in ihre Dessertschale.
»Als ich mein hölzernes Schwert gewann, verschaffte es mir eine Art bitteres Vergnügen, Lanista zu werden«, fuhr Saturninus nach kurzer Pause fort. »Senatoren dürfen sich Gladiatorenmannschaften halten; für sie ist es nur ein exotisches Steckenpferd. Ich nahm den Beruf ernst. Und es hat funktioniert. Er hat mir schließlich genau den Status verschafft, den ich haben wollte.«
Der Mann war eine faszinierende Mischung aus Ehrgeiz und Zynismus. Er sah immer noch wie ein Gladiator aus, unterschied sich darin nicht von den Sklaven, die an Gladiatorenschulen verkauft wurden, und doch genoss er seinen jetzigen Luxus völlig natürlich. Bevor er sich für den Kampf in der Arena entschied, war er in Tripolitanien daran gewöhnt gewesen, sich das Essen von respektvollen Dienern auf elegantem Geschirr servieren zu lassen. Seine Frau Euphrasia ließ die einzelnen Gänge mit herrischen Gesten auftragen. Auch sie genoss diesen Lebensstil völlig ungezwungen. Sie trug eine gewaltige Halskette mit vielen Strängen aus gedrehtem Golddraht, Kupferscheiben und dazwischen großen Karfunkelsteinen. Die Kette sah sowohl exotisch als auch sehr alt aus und war wahrscheinlich ein Erbstück.
»Ihre Geschichte ist typisch für Rom«, erklärte ich. »Die Regeln besagen, Geld bestimmt den Platz, den man bekommt. Aber wenn man nicht Cornelius oder Claudius heißt und aus einer Familie stammt, die einst ein Haus am Fuße des Palatin innerhalb der Mauern des Romulus besaß, dann muss man sich diesen Platz erkämpfen.
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