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Den Oridongo hinauf (German Edition)

Den Oridongo hinauf (German Edition)

Titel: Den Oridongo hinauf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjørnsen
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wankelmütige Vergangenheit. Und diese Zeit ist vorbei. Vorüber. Schluss und Punkt, mit Bleigewicht im Meer versenkt.
    Es piepst in meiner Tasche. Ich reagiere nicht.
    Ich kann sehen, dass sie mit dem Mobiltelefon am Ohr unten am Küchenfenster steht, aber ich reagiere nicht. Ich stehe stocksteif da und schaue hinaus auf den Fjord und die Berge, du sollst mich nicht anschreien ist das Erste Gebot, und jetzt kommt außerdem der Bus um die Kurve, zweimal pro Stunde, jetzt weiß ich es wieder, achtzehn nach halb, achtzehn nach voll, wie konnte ich das nur vergessen? Der Schock. Das Entsetzen angesichts der Entdeckung von Berits Nachtseite. Die plötzlichen unfreundlichen Worte. Die ich mir nicht gefallen lassen muss. Aber der Kurzschluss muss noch schlimmer geworden sein, das geht mir auf, als sich die Türen mit einem kurzen hydraulischen Pfff öffnen, und ich sehe, dass Bendik Haga hinter dem Lenkrad sitzt, da sitzt er und grinst mich an, das ist ein Umstand, den ich ganz einfach nicht in Betracht gezogen habe. Ich habe Bendik Haga nicht einen einzigen Gedanken gewidmet, habe nur Bus gedacht, den Bus nehmen, und da sitzt er plötzlich in seiner ganzen Gemeinheit, während die Fahrgäste im Bus zu mir herauslugen, wie ich hier im Halbdunkel stehe.
    Na? Was wird also?
    Nie im Leben würde ich ihm eine Antwort geben. Ich stehe ganz still da und halte seinen Blick fest. Genau wie vorhin den des Katers.
    Will ich mit nach Laugen kommen oder hier herumstehen und furzen?
    Das geht ihn nichts an. Das kann ihm ganz einfach egal sein. Ich stehe, wie ich stehe, und das genau so lange, wie ich will. Jetzt passt es mir ganz hervorragend, genau hier zu stehen, wo ich stehe.
    Es kommt zu einer Kraftprobe. Blick gegen Blick. Unbeweglichkeit. Es dauert sicher nur Sekunden, aber mir kommt es vor wie eine ganze Ewigkeit, ich habe nicht gesagt, dass ich mit dem Bus fahren will, er kann nicht wissen, ob ich hier in der Dämmerung stehe, weil ich gern in der Dämmerung stehe, ich stehe, wo ich will, und so lange wie ich will, und in diesem Moment habe ich mich also dafür entschieden, hier zu stehen, er kann sich mit seinem verdammten Bus zum Teufel und noch weiter scheren.
    Fahr! Hau ab!
    Das tut er dann auch endlich, die Türen werden geschlossen, und weg ist er, während er auf die Hupe drückt, wie ein Knabe, der Aufmerksamkeit will.
    Und sie ziemlich sicher auch bekommt. Ich kann mir die Stimmung vorstellen, die in diesem Moment im Bus herrscht. Das Lachen. Die Witze. Ich könnte verzweifeln. Soll das denn nie ein Ende nehmen? Werden solche Situationen mich heimsuchen, bis ich in die Erde gesenkt werde, oder bis der Sarg ins Flammenmeer geschoben wird? Wird es zu Missverständnissen und Unannehmlichkeiten im Pflegeheim kommen, bis der Tod mich zu sich nimmt? Falsche Medikamente und vergessener Windelwechsel?
    Ich will nicht ins Pflegeheim. Lieber bringe ich mich um.
    Und sie da unten. Im Küchenfenster. Das Telefon, das in meiner Jackentasche klingelt.
    Du sollst mich nicht anschreien. Das Erste Gebot.
    Ich will mit dem Lensmann sprechen. Das hätte ich schon längst tun sollen.
    Mit dem Mann, dem ich jetzt mit brausendem Mineralwasser aus Imsdal zutrinke.
    Minuten, ehe mein Dasein auf den Kopf gestellt wird.

9
    Der Regierungsdirektor , der Bürgermeister, der Vorsitzende des Sportvereins – großer Gott, nimmt das denn nie ein Ende, sie reden und sie reden, und wir lachen höflich und wechseln leicht resignierte Blicke, es geht über Fjord und Berge, es ist herzlich, es ist so voller Ehrlichkeit, Geist und Seele, und seid uns willkommen (wieder und wieder), und wir schütten eimerweise Kaffee und Mineralwasser in uns hinein, und die Klerke erröten und strahlen, es gefällt uns ja, sie dermaßen leuchten zu sehen, das tut uns gut, und wir sind viele, die ein Tränchen oder zwei zerdrücken, obwohl das ja doch ein wenig übertrieben ist, ein wenig zu viel des Guten, aber andererseits: Kann es überhaupt zu viel des Guten geben? Wie man ja ab und zu sagt. Zu viel von dem, was einfach nur gut gemeint ist? Ist es nicht kleinlich, so zu denken? Doch. Und ich merke, dass ich mir sogar noch mehr wünsche, noch mehr Reden, denn jetzt fällt mir ein, dass ich bald auf die Bühne steigen muss, wo ich zusammen mit Ellen Svendsen darüber reden soll, wie es war, von außen in diese kleine Gemeinschaft einzutreten, nachdem ich ein Menschenalter im urbanen Süden gelebt hatte. Und ich suche ihren Blick, und ich finde ihn, dort, wo sie mit ihrem

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